"Der Lebensdank ist ein wesenhaftes Existential der Kindschaft; er ist eine unverlierbare Schuldigkeit, die ein Leben lang in der Liebe der Kinder zu den Eltern währt. Er ist kein Verhalten des sittlichen Wollens, zumindest nie dies allein, sondern entspringt der im Herzen erfahrenen Kindschaft als solcher. Wo er nicht besteht, weil die Huld nicht geschenkt wird, oder das Kind durch eine wurzellose Aktivität im gesellschaftlichen oder kollektivistischen Pflege- und Bildungsbetrieb «aus seinem Selbst ausgeht», mißt sich das Kind früh das Leben selber zu, wobei es zugleich dem Antlitz- und Gottlosen menschlicher Organisationen und Gemächte aus-geliefert ist. Es versagt seinen metaphysischen Lebensgründen die Schuldigkeit, d. h. der Mensch wird in seinem Herzensgrunde anmaßend, er vergißt die urbildlichwesenhaften und göttlichen Tiefen des Seins und Daseins und verfällt, dem Gewahrsam der Kindschaft entrückt, erinnerungslos und zuflüchtig den lebens-versichernden Umtrieben einer substanzlosen Gesellschaft. Ohne den Lebensdank ist das Leben an der Wurzel «geworfen» und «verfallen», es ist seiner metaphysischen Erhellung und seiner auf Gott verwiesenen Schuldigkeit beraubt. Er wird in seinem Geschick kein lösendes Schick-sal mehr erfahren, weil er sein zutrauendes Vertrauen an etwas Fremdes und Un-holdes vergeben und Gottes Bild in seinem Herzen verdunkelt hat. Wer Vater und Mutter vergaß, wie könnte der noch Gottes gedenken, wenn ihn nicht eine übermächtige Gnade heim-holte zu neuer Kindschaft!"
Gustav Siewerth, Metaphysik der Kindheit
Montag, 15. Juli 2013
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