Dienstag, 12. Mai 2015

Zu späte Einsicht?

"Zu spät beginnt er (der Rationalismus) einzusehen, das einzig ein der Vernunft überlegener Glaube, der die Tätigkeit des Geistes und des Gemütes belebt, eine Einheit unter den Menschen sicherstellen kann, die nicht auf dem Zwang, sondern auf der inneren Zustimmung begründet ist, und dass allein dieser Glaube die gewiss natürliche Daseinsfreude, die aber von der Natur allein nicht am Leben erhalten werden kann  (die heidnische Weisheit hielt es für das Beste, nicht geboren zu sein), in eine verständige Begeisterung verwandelt.
Es ist sehr bezeichnend, dass einzig das Christentum gegenwärtig in mehreren für die abendländische Zivilisation lebenswichtigen Punkten als befähigt erscheint, die Freiheit der Person und – insofern es auf die zeitliche Ordnung einzuwirken vermag – die positiven Freiheiten zu verteidigen, die auf der sozialen und politischen Ebene jener geistigen Freiheit entsprechen.
So finden wir wieder die augenscheinlich in sich am meisten folgerichtigen historischen Positionen vor und dazu noch die uralten christlichen Glaubenskämpfe gegen den Despotismus der Mächte des Fleisches."

Jacques Maritain, Der christliche Humanismus, 1950,126

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen