Mittwoch, 18. Juli 2012

Sehen: Beweise

"Gerade von jüdischer Seite wird - durchaus zu Recht - immer wieder gefragt: "Was hat denn euer "Messias" Jesus gebracht? Er hat nicht den Weltfrieden gebracht und das Elend der Welt nicht überwunden. So kann er doch wohl der wahre Messias nicht sein, von dem gerade dies erwartet wird. Ja, was hat Jesus gebracht? Der Frage sind wir schon begegnet, und auch die Antwort kennen wir bereits: Er hat den Gott Israels zu den Völkern getragen, so dass alle Völker nun zu ihm beten und in den Schriften Israels sein Wort, des lebendigen Gottes Wort erkennen. Er hat die Universalität geschenkt, die die eine große und prägende Verheißung an Israel und an die Welt ist. Die Universalität, der Glaube an den einen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs in der neuen Familie Jesu über alle Völker hin und über die fleischlichen Bande der Abstammung hinaus - das ist die Frucht von Jesu Werk. Das ist es, was ihn als den "Messias" ausweist und der messianischen Verheißung eine Deutung gibt, die in Mose und den Propheten gründet und sie freilich auch ganz neu aufschließt."


Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Band 1, 149

différence

"1. Wisse nun wohl, Tryphon“, fuhr ich fort, „durch das, was der sogenannte Teufel in trügerischer Nachäfferei unter den Griechen erzählen ließ, durch das, was er in gleicher Weise durch die ägyptischen Zauberer und durch die falschen Propheten zur Zeit des Elias tat, ist mein aus der Schrift geschöpftes Wissen und mein Vertrauen auf die Schrift befestigt worden. 
2. Wenn nämlich die Griechen von Dionysos, dem Sohne des Zeus, erzählen, er sei aus einer Verbindung mit Semele geboren worden, wenn sie von ihm berichten, er habe den Weinstock erfunden, er sei, nachdem er infolge Zerfleischung gestorben war, auferstanden und in den Himmel aufgefahren, wenn sie bei seinen Mysterien einen Esel vorführen, soll ich da nicht merken, daß der Teufel die oben erwähnte, von Moses aufgezeichnete Prophetie des Patriarchen Jakob nachgeahmt hat? 
3. Da sie ferner von Herakles behaupten, er sei gewaltig, habe die ganze Erde bereist, sei von Alkmene dem Zeus geboren und sei nach seinem Tode zum Himmel aufgefahren, soll ich da nicht wiederum an eine Nachahmung dessen denken, was die Schrift von Christus gesagt hat mit den Worten: ‚Gewaltig wie ein Riese zu laufen seine Bahn’? Wenn der Teufel von Äskulap anführt, er habe Tote erweckt und anderes Elend geheilt, soll ich nicht auch hierin eine Nachahmung dessen behaupten, was in ähnlicher Weise von Christus prophezeit worden war?
4. Da ich euch jedoch noch keine Schriftstelle genannt habe, welche diese Wundertaten Christi prophezeit, so muß ich noch irgendeine Stelle erwähnen, aus der ihr auch ersehen könnt, wie selbst solchen, welche der Mangel an Gottes Erkenntnis gleichsam in einer Wüste wohnen ließ, das ist den Heiden, welche Augen hatten und nicht sahen, ein Herz besaßen und nicht verstanden, und welche die materiellen Gebilde anbeteten, der Logos vorausverkündet hat, daß sie den Götzen entsagen und auf unseren  Christus hoffen. 
5. Es heißt: ‚Freue dich, o Wüste, die du dürstest! Juble Wüste, und blühe auf gleich einer Lilie! Blühen und jubeln werden die Wüsten des Jordans. Die Herrlichkeit des Libanon und die Pracht des Karmel ist der Wüste gegeben. Mein Volk wird schauen die Größe des Herrn und die Herrlichkeit Gottes. Werdet stark, ihr schlaffen Hände und ihr matten Knie! Ihr Kleinmütigen, tröstet euch, werdet stark und fürchtet euch nicht! Siehe, unser Gott vergilt im Gerichte und wird vergelten. Er selbst wird kommen und uns retten. Dann werden die Augen der Blinden geöffnet werden und werden die Ohren der Tauben hören. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, deutlich wird sein die Sprache der Lallenden. Denn in der Wüste bricht hervor Wasser und Bäche im dürstenden Lande. Und wo kein Wasser ist, wird Wiesengrund sein; Wasserquellen werden in dürstender Erde sein.’ 
6. In der Wüste, in welcher es keine Gotteserkenntnis gab, im Lande der Heiden, quoll als Quelle lebendigen Wassers von Gott her unser Christus hervor, welcher auch in eurem Volke erschienen ist und die, welche von Geburt aus und dem Fleische nach blind, taub und lahm waren, heilte, indem er dem einen durch sein Wort die Möglichkeit zu springen gab, dem anderen durch dasselbe das Gehör, wieder einem anderen das Augenlicht verlieh. Aber auch Tote erweckte er zum Leben. Durch seine Werke führte er die Menschen seiner Zeit zu seiner Erkenntnis. 
7. Sie aber nahmen, obwohl sie diese Wunder sahen, in ihnen Trugbilder und Zauberei an; wagten sie es ja auch, Christus einen Zauberer und Volksverführer zu nennen. Er aber wirkte eben diese Wunder, um die, welche später an ihn glauben sollten, zu überzeugen, daß er dem, der von körperlichen Leiden heimgesucht ist, wenn er nur seine überlieferten Lehren beobachtet, bei seiner zweiten Ankunft Unsterblichkeit, Unvergänglichkeit und Leidensunfähigkeit verleihen, ihn zu einem Leben frei vom Gebrechen erwecken werde."

Justinus der Märtyrer, Dialog mit dem Juden Tryphon, LXIX

Das Kommen


"Wehe dir, Verwüster, der du selbst nicht verwüstet bist,
und dir, Betrüger, den man nicht betrogen hat!
Wenn du das Verwüsten beendet hast, wirst du verwüstet werden.
Wenn du aufgehört hast zu betrügen, wird man dich betrügen.

HERR, sei uns gnädig,
auf dich hoffen wir!
Sei ihr Arm an jedem Morgen,
ja, unsere Hilfe in der Zeit der Not!

Vor dem Getöse flüchten Völker,
wenn du dich erhebst, zerstreuen sich Nationen.

Und eure Beute wird eingesammelt,
wie die Heuschrecke einsammelt,
wie der Überfall der Heuschreckenschwärme
fällt man darüber her.

Erhaben ist der HERR,
er wohnt in der Höhe,
mit Recht und Gerechtigkeit
hat er Zion gefüllt.

Dann wirst du sichere Zeiten haben.
Ein Vorrat an Hilfe sind Weisheit und Erkenntnis,
die Furcht des HERRN, sie ist sein Schatz.

Sieh, draussen schreien verzweifelt die Helden,
bitterlich weinen die Friedensboten.

Verödet sind die Strassen,
niemand zieht mehr des Wegs.
Man hat den Bund gebrochen,
die Städte hat man verworfen,
den Menschen achtet man nicht.

Man trauert, das Land ist ausgetrocknet,
beschämt ist der Libanon, verwelkt.
Wie die Araba ist die Ebene von Scharon geworden,
und der Baschan und der Karmel werfen ihr Laub ab.

Nun werde ich aufstehen, spricht der HERR,
nun mich aufrichten,
nun mich erheben.

Mit dürrem Gras geht ihr schwanger,
Stoppeln werdet ihr gebären,
euer Schnauben ist ein Feuer, das euch verzehren wird.

Und Völker werden verbrannt zu Kalk,
abgehauene Dornen, die man im Feuer verbrennt.

Ihr in der Ferne, hört, was ich getan habe,
und ihr in der Nähe, erkennt meine Kraft!

In Zion sind die Sünder erschrocken,
Zittern hat die Gottlosen ergriffen:
Wer von uns könnte sich aufhalten bei dem verzehrenden Feuer?
Wer von uns könnte sich aufhalten bei den ewigen Gluten?

Wer gerecht lebt
und aufrichtig redet,
wer erpressten Gewinn verwirft,
wer mit seinen Händen abwehrt und keine Bestechung annimmt,
wer sein Ohr verstopft, damit er nichts hört von Blutschuld,
und wer seine Augen verschliesst, damit er nichts Böses sieht,

der wird auf Höhen wohnen.
Schutzburgen in den Felsen sind seine Zuflucht,
sein Brot wird ihm gereicht,
sein Wasser versiegt nicht.

Deine Augen werden den König in seiner Schönheit schauen,
ein weites Land werden sie sehen.

Dein Herz wird an den Schrecken denken:
Wo ist, der zählte? Wo der, der wog?
Wo ist, der die Türme zählte?

Das freche Volk wirst du nicht sehen,
das Volk mit einer Sprache, so unverständlich, dass man sie nicht hören kann,
mit stammelnder Zunge, nicht zu verstehen.

Schau auf Zion,
die Stadt unserer Feste,
deine Augen werden Jerusalem sehen, die sorgenfreie Wohnstatt,
das Zelt, das man nicht abbricht,
nie werden seine Pflöcke herausgerissen,
und keiner seiner Stricke wird zerrissen.

Dort ist ein Mächtiger für uns da, der HERR!
Es ist ein Ort mit Flüssen, breiten Strömen,
kein Ruderschiff fährt darauf,
und kein protzendes Schiff zieht dahin.

Der HERR ist unser Richter,
der HERR führt uns,
der HERR ist unser König,
er hilft uns!

Schlaff sind deine Taue,
das Gestell ihres Mastbaums können sie nicht halten,
die Flagge haben sie nicht entrollt.
Dann wird viel Raubgut aufgeteilt,
Lahme haben Beute erbeutet.

Und kein Einwohner wird sagen: Ich leide.
Dem Volk, das darin wohnt, ist die Schuld vergeben."

Jesaja 33 

Freitag, 13. Juli 2012

Das Mehr


Aber für mich wäre aller noch so fromme Jesuanismus, alles Engagement für Gerechtigkeit und Liebe in der Welt, aller Humanismus, der Gott für den Menschen verbrauchen würde und den Menschen nicht in den Abgrund Gottes hineinstürzt, Religion eines unbegreiflich bescheidenen Humanismus, der uns einfach vor der ungeheuerlichen Gewalt der Liebe Gottes, in der Gott wirklich selber aus sich selber gerät, verboten ist. Wir können nur entweder alles, nämlich Gott in seiner reinen Gottheit wollen oder wir sind verdammt, d.h. begraben in dem Kerker unserer Endlichkeit.“

Karl Rahner, Erfahrungen eines katholischen Theologen

Die zwei Staaten


Was wäre, wenn das Wort "Gott" aus unserer Sprache verschwände?

"Der Mensch hätte das Ganze und seinen Grund vergessen, und zugleich vergessen - wenn man das noch so sagen könnte -, daß er vergessen hat. Was wäre dann? Wir können nur sagen: Er würde aufhören, ein Mensch zu sein. Er hätte sich zurückgekreuzt zum findigen Tier. Wir können heute nicht mehr so leicht sagen, daß dort schon Mensch ist, wo ein Lebewesen dieser Erde aufrecht geht, Feuer macht und einen Stein zum Faustkeil bearbeitet. Wir können nur sagen, daß dann ein Mensch ist, wenn dieses Lebewesen denkend, worthaft und in Freiheit das Ganze von Welt und Dasein vor sich und in die Frage bringt, mag er auch dabei vor dieser einen und totalen Frage ratlos verstummen. So wäre es ja vielleicht - wer vermag das genau zu wissen - auch denkbar, daß die Menschheit in einem kollektiven Tod bei biologischem und technisch-rationalem Fortbestand stirbt und sich zurückverwandelt in einen Termitenstaat unerhört findiger Tiere."

Karl Rahner, Grundkurs des Glaubens, Meditation über das Wort "Gott"

Donnerstag, 5. Juli 2012

Der Böse

Enigmatische Eröffnung des Ursprungs und der Natur des Bösen

"Da der ERSTE URSPRUNG in höchstem Maße gut ist, tut er nichts, was nicht gut wäre - geht doch vom Guten nur Gutes aus. Was aber vom höchsten Gut stammt, ist eben dadurch geringer als dieses, das heißt: es kann nicht das höchste Gut sein. Der Engel wurde also von Gott als gut erschaffen, aber nicht als das höchste Gut, sondern als ein Gut, das noch der weiteren Vollendung fähig war, sofern es sich nur mit seinem Streben dem höchsten Gut zuwendete. 
Es war also möglich, daß der Engel in freier Entscheidung seines Willens dem höchsten Gut zustreben oder aber sich dem eigenen Gut zuwenden konnte. Der Blick auf seine Schönheit und seinen hohen Rang weckte in Luzifer die Liebe zu seinem eigenen Gut (bonum privatum), er wurde stolz auf den hohen Rang, den er bereits besaß, und strebte nach seiner eigenen Vorrangstellung, die er noch nicht erreicht hatte. In diesem Akt der Überhebung setzte er sich selbst als Ursprung (principium) seiner selbst; er sonnte sich in seinem eigenen Glanz. Im Akt des ehrgeizigen Strebens setzte er sich selbst als höchstes Gut für sich selbst: sein Streben sollte in ihm selbst Ruhe finden. Da er aber selbst weder der Erste Ursprung noch das Höchste Gut ist, folgte aus diesem Streben wider die Ordnung notwendig der Sturz; und aus dem gleichen Grund stürzten alle seine Gesinnungsgenossen. 
Weil es "die Häßlichkeit der Sünde nicht ohne die Zierde der Gerechtigkeit gibt", so verloren sie mit dem Sturz in die Sünde auch ihren erhabenen Ort, das Empyreum; sie mußten absteigen bis zur Sphäre der finsteren Luft oder zur Unterwelt. Daß sie in Sünde fielen, war durch ihren freien Willen herbeigeführt, daß sie der Strafe verfielen, durch den Urteilsspruch Gottes. 
Und weil es die Eigenart des Engels ist, nach der Wahl unwandelbar im Gewählten zu verharren, so wurde Luzifer verhärtet im Bösen, und daher auch blind gegenüber der Wahrheit, verkehrt im Handeln und geschwächt in seiner Kraft. Daher ist sein Wille gottlos, sein Tun, das sich von Gott abgewandt hat, hat sich in Haß und Neid gegen den Menschen gewandt. Die klare Geistesschärfe, blind geworden für die Wahrheit, hat sich auf Täuschungen durch Wahrsagen oder sonstigen Trug verlegt. Den wahren Dienst, der seines Amtes gewesen wäre, verließ er und nahm die Tätigkeit des Versuchers auf. Das machtvolle Wirken (virtuositas) wurde gemindert und beschränkt, und - sofern es zugelassen wird - verlegt es sich auf das Wirken von Wundertaten: durch plötzliche Veränderungen im Bereich der materiellen Schöpfung.
Und weil all dies wider die Ordnung ist, insofern es von einem durch den Hochmut verdorbenen Willen stammt, so verwendet er auch all das als Nahrung für seinen Hochmut: er will von den Menschen angebetet und verehrt werden an Stelle Gottes. Daher kommt es, daß "alle seine Taten schlecht sind". Gott läßt dies dennoch zu, zur Strafe für die Übeltäter und zum Ruhm der Guten, wie es beim Jüngsten Gericht offenbar werden wird."

Hl. Bonaventura, Breviloquium

Sonntag, 1. Juli 2012

Auf-erhebung

"Wenn ein Löwe heute die Prophezeiung über jenen Tag lesen könnte, an dem er Heu fressen soll wie ein Ochse, dann würde er sie nicht für eine Beschreibung des Himmels halten, sondern der Hölle. Wenn es aber im Löwen einzig Raubtier-Empfindungen gibt und sonst nichts, dann ist er ohne Bewußtsein, und sein "Überleben" hätte keinen Sinn. Ist in ihm aber auch nur die Ahnung von einem Löwen-Selbst, dann kann Gott ihm auch einen "Leib" nach Seinem Willen verleihen - einen Leib, der nun nicht mehr von der Vernichtung des Lammes lebt und der dennoch ungeschmälert löwenhaft ist, so daß in ihm alle Energie, alles Prächtige und all die jauchzende Macht zum Ausdruck kommt, die dem irdischen Löwen eigen ist. Meine unmaßgebliche Meinung ist, daß der Prophet sich einer orientalischen Hyperbel bedient, wenn er von dem Löwen und dem Lamme sagt, sie "lägen beieinander". Das wäre nämlich ziemlich unverschämt von dem Lamm. Würden Löwen und Lämmer, außer bei seltenen, alle Ordnungen auf den Kopf stellenden himmlischen Saturnalien, auf solche Weise miteinander verkehren, so wäre das genau das gleiche, als gäbe es weder Löwen noch Lämmer. Ich glaube, der Löwe wird, wenn er aufgehört hat, gefährlich zu sein, immer noch ehrfürchtige Scheu erregen; in der Tat, erst dann werden wir das zu Gesicht bekommen, wovon die jetzigen Pranken und Klauen nur eine plumpe und satanisch entstellte Nachahmung sind. Immer noch wird es dann so etwas geben wie das Schütteln der goldenen Mähne, und oft noch wird der Gütige Fürst sagen: "Laßt ihn noch einmal brüllen."

C. S. Lewis, Über den Schmerz