Samstag, 16. Januar 2016

Gemeinschaft

"We learn to cultivate the gift of love in community."
W. Jeanrond, A Theology of Love

Auch Gemeinschaft ist, wie die vorausgehenden Begriffe, ein Erfüllungsbegriff und -verhältnis. Keine Gemeinschaft ohne Vollendungsmöglichkeit und d.h. -wirklichkeit. Keine Gemeinschaft ohne Überfülle, ohne Vollendung, ohne jenen Zugewinn an Raum und an Verfügung, welche nötig sind, um die gefügte Unendlichkeit, welche die Person ist und ihre Vermengung aufzunehmen.
Ohne eine solche Erfüllung, Vollendung und Überfülle, ohne eine solche Gnade und ein solches Geschenk sind also nur kaum aufgängige Ansammlungen, Gerümpel, Schiefheiten und Verstellungen möglich, die letztlich immer irgendwo zwicken und zwacken werden
und mit dem Tod bezahlen lassen werden, indem sie ihn erfahren und schmecken lassen werden. Ohne diese Begnadung ist also nur Verheerung möglich.
Warum ist dies so? Weil wir einerseits Individualitäten, unbedingte Besonderheiten, Einzelnheiten und ihre Ansammlungen sind oder weil wir Herkömmlichkeiten, Gewohnheiten, Schwärme von Mans sind, die zwar ein Gebilde, aber nie eine Gemeinschaft kennen, die aus je Einzelnheiten und Individualitäten und Selbst-Bewußtheiten besteht, die sich aber koordiniert haben und zwar in der Weise, dass ihre Über-einstimmung in einem Raum statt hat, zu dem sie selber kommen und der ihnen aufgegangen ist, der ihre einzelnen Unendlichkeiten und ihre Additionen in der Weise überheben kann, dass er sie aufgehoben und getragen und ergeben sein läßt, genau aus jener Unendlichkeit die alles und d.h. die Koordination der Einzelnheiten schenkt und gewährt. In diesem Sinne ist die Göttlichkeit, das gnadenschenkende Absolute der gemeinschaftsstiftende und -eröffnende Raum und Faktor. Der Gott schenkt die Gemeinschaft und d.h. die Koordination und die Ausrichtung und Selbstrückkunft der Individualität und der Individualitäten. Er gewährt und garantiert die Einzelnheit und ihre Unverletzbarkeit und schenkt das Vermögen der Koordination und der Abstimmung von an sich unvereinbarem Einzelnen und Bestimmten. Der Gott schenkt in dieser Weise Welt, wo zuvor nur Aspiration, Versuch oder Gewohnheit war. Er richtet jenen liturgischen, erst-öffentlichen Raum ein, der allem auch dem öffentlichem Raum der Agora seinen Sinn, weil seine Möglichkeit und damit Wirklichkeit gibt, indem er ihn schön, gut und entborgen sein lassen kann, indem er ihm den Grund gibt, der ihn sich sein und sich entfalten und zugleich einfalten läßt.
Gemeinschaft ist immer jenes wundersame und wunderbare Gefühl und die Erfahrung des Zusammengehens des Unvereinbaren: des Je-einzelnen und des Stimmigen und Aufgängigen des Koordinierten und Verfügten, des Gemeinsamen.
In diesem Sinne ist Gemeinschaft und Gemeinschaftserfahrung immer eine hyperuraneische, eine außergewöhnliche und erhebende und gleichzeitig einbergende, zu sich bringende, beruhigende und versöhnliche Erfahrung. Sie ist Erfahrung und Entität konkreten Heils.
Sie ist der Ort der Erfahrung der konkreten Überwindung des Todes.
Denn dieser bedeutet gerade den Verschwund, die Auflösung der Gemeinschaft, welche Lebensgemeinschaft ist. Dann ist nichts. Obwohl Gemenge ist und sein kann.
Gemeinschaft aber heilt von innen und außen dieses Nichts, dieses Gemenge und diese Unmöglichkeit. Sie macht aus der Unmöglichkeit Möglichkeit und so läßt sie sein, wirklich sein, Wirklichkeit sein.
Die Gemeinschaft ist Anfang von allem. In diesem Sinne verstehen wir, warum die Ekklesia der Anfang und die Vollendung von allem ist, der Ort der Erfüllung und der Vollendung der Welt, der Ort des Anfangs und des Aufgangs der Welt. Der Aufgangs- und Ereignisraum der Erlösung.

Keuschheit und Liebe


"Keuschheit und Liebe gehen Hand in Hand." 
Werner G. Jeanrond, A Theology of Love

Nicht nur gehen Keuschheit und Liebe Hand in Hand und ist Keuschheit nicht wesentlich ein Weg der Heilung der Wunde und des Übels der Liebe, Keuschheit ist der Ort und die Austragungsweise des Überflusses, der Abundanz der Liebe und die Liebe, die sich im und aus dem Überfliessen einrichtet und als diese Einrichtung ist, ist keusche Liebe zu nennen und als solche zu erkennen.
Wie aber das?
Als Erstes ist zu sagen, dass alles was ist, sein kann, weil es die Vollendetheitsmöglichkeit seiner selbst gibt. Ohne die Vollendung ist nicht etwas und das Sein ist die Vollendung. Die aber auch gebrochen
und angeschlagen sein kann.
Als Zweites ist zu sagen, dass die Heilung in der Verwindung der Wunde, der Schwäche geschieht und ist, welche durch ihre Annahme ihre Überwindung ist und ihre Übermächtigung.
Die Schwäche wird zur Stärke. Und diese hat positiven, ausweisenden Charakter. Sie ist so etwas wie die Fortsetzung, die Furt dann auch und der Übergang zu einer Wiederkehr und Überwindung,  zu einem Werden das neu und gestärkt ist und das siegt und gewinnt.
Diese zwei Voraussetzungen vorausgesetzt, sehen wir den Ort der Verknüpfung von Keuschheit und Liebe als den Ort des katalytisch-reinigenden und verhinderungsheilenden Geschehens und seiner Überwindung, welche in eine Überproduktion des Neuen, Aufgängigen, Heilen, Auferständigen geht und aus ihm wird. Sie ist der Aufgang und der Andrang des Lichts und d.h. auch der Lichterzeugnisse, der vielen kleinen und großen Dinge, die aus der Liebe, dem Licht der Liebe sind und geworden sind, um sich anzusammeln und überzugehen, um Ereignisse der Einrichtung
des Hervorgangs der inkarnierten Liebe zu sein.
Die Keuschheit ist in diesem Sinne der Überraum, der nötige Mehrraum, welcher in seiner temperierten Form jene Bedingung schafft, damit freie und mögende Produktion und Generation wird, damti Erzeugnis ist, das nur durch eine Beengung und Kontingenz verhindert sein kann, welche sich ergeben, wenn der Raum der Liebe implodiert, einfällt, um nur ein Gerüst und eine Ansammlung von Faktizitäten und einer Verlassenheit zu hinterlassen, in welchen nichts mehr tatsächlich und eigentlich gedeiht, in welchem die große Pflanze des Lebens bedroht ist, wenn auch noch für einige Zeit ein Fortwirken und Gedeihen statt haben kann.
Die Keuschheit der Liebe ist das Überquillen der Liebe und das Überquillen der vielfältigsten und eigenhaftesten Produktionen und Organismen der Liebe. Die Keuschheit ist in diesem Sinne der Raum der Möglichkeit des Leibes und des Körpers. Es ist seine Vollendungs- und Realisationsmöglichkeit.
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Donnerstag, 14. Januar 2016

Eros und göttliche Liebe

Gott und Eros werden aufgrund einer langen Tendenz der Diskussion der beiden Sachbereiche getrennt und auch entgegengesetzt verhandelt. Was dem einen gut tut, kann dem anderen nur schaden. Die Betrachtung der Abstammung des Eros und/oder die Hypostasierung und Verallgemeinerung eines Verderbens des Erotischen fielen durchaus undifferenziert und schematisch-dualistisch, ja manichäisch aus. Von der Seite der göttlichen Schöpfung und der Inkarnation und Kenosis des Gottes aus muss sich das Verhältnis anders darstellen. Der Eros muss in seiner göttlichen Abstammung und Potenzialität betrachtet werden. Der Sündenfall impliziert auch einen Bruch der göttlichen Herrlichkeit des Eros und seiner Ekstasen. In der Erfüllung unseres Körpers erfüllen wir auch die Möglichkeit göttlicher Verkörperung. Gott liebt über sich hinaus. In der Barmherzigkeit und in seiner Selbstaufopferung erzeigt er die erotische Kraft der Selbsthingabe und der Verschmelzung mit dem anderen. Diese verleiht ihm dann auch die eigentliche Herrlichkeit, welche der heile, aufgerichtete Eros verleihen kann: Die Wiederkunft aus dem Tod. Die Auferständigkeit. Und diese eröffnet die höchste Herrlichkeit und Verklärtheit. Diese eröffnet und instituiert den Himmel und die Ordnung des Himmels auf der und in der Erde. Ein Eingang, der die Erde selbst ganz verändert, verwandelt und verklärt. Der sie auferständig, geheilt, versöhnt wieder aufgerichtet macht.
In dieser Weise ist der Eros die Kraft der Berührung und der Durchgängigkeit der Kommunikation und der Wandlung/Verwandlung.
Der wiederhergestellte Eros schenkt die Gnade ebenfalls in die Unberührbarkeit und die bloße egomanische Verdorbenheit des eigenen Selbst hineinzugehen. Er verwandelt ihn, indem er in ihm ebenfalls ein Licht des Heils und der Wiederherstellung ein- und aufrichten kann, zum Zeichen. Hier macht er aus Unberührbarkeit, aus Angst, Zwiespalt, Intrige, Todesbesessenheit und Versteinerung der Gefühllosigkeit das Wunder der Selbstaufgängigkeit, das mehr ist als nur Selbstbefreundung, das Selbstdarbringung und -darreichung ist, ein schöpfungs- oder erlösungslogischer Akt.
In diesem Sinn erfüllt sich das inkarnatorische Erlösungs- und Gnadenpotenzial des eigentlichsten christlichen Gedankens und seiner Handlung in der Heilung und Verwandlung des Selbstverhältnisses und zwar in der Weise des Selbstausweises.
Die Mitte eines heilen, aufgängigen und versprechenden homoerotischen Verhältnisses ist die sakrale, göttliche, leibhaftig spirituelle Aufgängigkeit und Ursprünglichkeit aus der, zu der und durch die alles ist. Diese gibt der Kommunikation und der physischen Interaktion Sinn und Zweck. Diese läßt es auch frei sein und gewährt die unausschöpfliche Räumlichkeit und Differenziertheit, welche sonst abgeht und Horreurs der Enge und des Mißverständnisses bildet.
Dieses lernen wir von Jesus. Wir können sicher sein, dass Jesus, sei es im vorkarfreitaglichen oder in dem nachösterlichen Leib physisch-leibhaftige Interaktionen mit den seinen aufnimmt. Eine Ahnung davon vermittelt uns der Hinweis auf den beim Abendmahl an der Brust des Meisters liegenden Jünger. Das Christliche ist gerade ein erfüllter, ein himmlischer, göttlicher Leib.
Ein Leib, der die Milde der Todesüberwindung hat.
So ist und wird er der herrliche, der Auferstehungsleib.
Ein Ausweis der Verwindung der Krankheit, der Verhinderung und des Todes.

Wir können sagen, dass Gott gerade jener ist, welcher den vollen, den erfüllten und den erfüllenden Eros vermag. Er scheitert nicht an den vielfältigen Klippen, welcher jener auch raue Gott bereiten kann. Er zeigt uns die reife Weise, auch über eine gewisse Selbstdemut hindurch, wie die Herrlichkeit des Eros in einem herrlichen erotischen Leib aufgehen und sein kann. So erlöst uns Gott.
So schenkt er auch seine Gnade.

In diesem Sinn ist der Heilige Geist gerade auch jener Geist, welcher dieses Vermögen hat und vermitteln kann. Er läßt Aufgängigkeit stehen und werden.
Er läßt Wunder wahr sein.