Mittwoch, 27. Februar 2013

Kreuzigt ihn!

"Nun ist aber wohl der Gott gut und muß so bezeichnet werden?
Allerdings.
Ferner ist doch nichts Gutes verderblich, nicht wahr?
Ich glaube, nein.
Und was nicht verderblich ist, schadet auch nicht?
Keineswegs.
Was aber nicht schadet, fügt das Böses zu?
Auch das nicht.
Und was nichts Böses zufügt, wäre denn auch nicht Ursache von etwas Bösem?
Wie sollte es nicht?
Weiter: Ist das Gute förderlich?
Ja.
Es ist also Ursache von Glück?
Ja.
Also nicht von allem ist das Gute Ursache, sondern nur von dem Glücklichen, nicht aber von dem Bösen?
Allerdings, erwiderte er.
So wäre denn auch, bemerkte ich, der Gott, als gut, nicht von allem bei den Menschen Ursache, wie die Menge behauptet, sondern nur von wenigem, an dem meisten aber unschuldig, denn des Guten wird uns viel weniger als des Schlechten. Und das Gute darf man auf niemand anderen zurückführen. Von dem Schlechten aber muß man irgendwelche andere Ursachen aufsuchen, nicht aber den Gott."

Platon, Politeia, 2. Buch, 379b-c

Sonntag, 24. Februar 2013

Über die Kraft des Denkens

"Sodann das Urteil selbst über das Leben derjenigen, von denen wir reden, werden wir nur dann imstande sein richtig zu fällen, wofern wir den Gerechtesten und den Ungerechtesten einander gegenüberstellen, sonst nicht. Wie stellen wir sie nun einander gegenüber? Folgendermaßen: Nehmen wir weder dem Ungerechten etwas von seiner Ungerechtigkeit [E] noch dem Gerechten etwas von seiner Gerechtigkeit, setzen wir vielmehr beide als vollendet in ihrem Treiben. Fürs erste nun der Ungerechte handle wie die großen Meister, etwa wie ein ausgezeichneter Steuermann oder Arzt das in seiner Kunst Mögliche und das Unmögliche zu unterscheiden weiß und jenes unternimmt,  [361 St.2 A]  dieses unterläßt und überdies, wenn er je einmal einen Mißgriff gemacht hat, imstande ist, ihn zu verbessern, ebenso muß der Ungerechte, wenn er ganz ungerecht sein soll, seine ungerechten Handlungen so geschickt angreifen, daß man sie nicht bemerkt, einen, der sich ertappen läßt, muß man für einen schlechten halten, denn die äußerste Ungerechtigkeit ist: gerecht zu scheinen, während man es nicht ist. Man muß nun dem vollendeten Ungerechten die vollendetste Ungerechtigkeit zuteilen und nichts davon nehmen, [B] sondern zugeben, daß er, während er die größten Ungerechtigkeiten begeht, sich den größten Ruf hinsichtlich der Gerechtigkeit erworben hat, und falls er je einen Mißgriff begeht, ihn zu verbessern imstande ist, indem er überzeugend zu sprechen vermag, wenn etwas von seinen Ungerechtigkeiten zur Anzeige kommt, und Gewalt anzuwenden, wo immer Gewalt erforderlich ist, durch Mut und Stärke und den Besitz von Freunden und Mitteln. Nachdem wir diesen in solcher Art aufgestellt haben, wollen wir den Gerechten in der [C] Erörterung neben ihn stellen, einen geraden und edlen Mann, der, wie Aischylos sagt, nicht gut scheinen, sondern sein will. Das Scheinen also muß man wegnehmen. Denn wenn er gerecht scheint, so werden ihm als einem so Scheinenden Ehren und Geschenke zufallen, und es ist dann ungewiß, ob er wegen des Gerechten oder um der Ehren und Geschenke willen so ist. Man muß ihn also alles andern außer der Gerechtigkeit entkleiden und seine Lage als der des Vorigen entgegengesetzt darstellen, [D] während er nämlich keine Ungerechtigkeit begeht, soll er den größten Schein der Ungerechtigkeit haben, damit er hinsichtlich der Gerechtigkeit geprüft sei, ob er sich nicht erweichen lasse von der Verleumdung und deren Folgen, und er bleibe unwandelbar bis zu seinem Tode, sein Leben lang ungerecht erscheinend, in Wirklichkeit aber gerecht, damit beide, wenn sie die äußerste Grenze erreicht haben, der eine in der Gerechtigkeit, der andere in der Ungerechtigkeit, beurteilt werden, wer von beiden der glücklichere sei.
Ei, ei, sagte ich, mein lieber Glaukon, [E] du säuberst ja die beiden Leute für die Beurteilung so gründlich wie Bildsäulen!
So sehr ich nur kann, versetzte er. Sind beide so beschaffen, so ist es, glaube ich, nicht mehr schwer, darzulegen, was für ein Leben beider wartet. Also heraus damit, und falls es etwas plump ausfällt, so glaube, Sokrates, daß nicht ich rede, sondern die, die die Ungerechtigkeit mehr preisen als die Gerechtigkeit. Sie werden denn sagen, daß der so genannte Gerechte unter diesen Umständen gegeißelt, gefoltert, gebunden werden wird, daß ihm die Augen ausgebrannt werden, und daß er zuletzt nach allen Mißhandlungen gekreuzigt werden und  [362 St.2 A]  einsehen wird, daß nun gerecht nicht sein, sondern scheinen muß. Das Wort des Aischylos würde also viel richtiger auf den Ungerechten angewendet. Denn in Wahrheit werden sie sagen, daß der Ungerechte, sofern er etwas treibt, das mit der Wahrheit zusammenhängt, und nicht nach dem Scheine lebt, nicht ungerecht erscheine, sondern sein wolle.
Und eine tiefe Furche zieht er durch den Geist,
Aus der hervorsproßt wohlbedachter Rat,
[B] zuerst zu regieren im Staat, weil er als gerecht erscheint, dann zu heiraten, aus welchem Hause er will, und zu verheiraten, an wen er will, sich anzuschließen und zu verbinden, mit wem er Lust hat, und über das alles Vorteil und Gewinn zu haben, weil er sich das Unrechttun nicht verdrießen läßt. Infolgedessen wird er in Kämpfen, persönlichen und öffentlichen, über die Feinde siegen und die Oberhand gewinnen, [C] infolge davon reich werden, seinen Freunden wohltun und seinen Feinden schaden können und den Göttern Opfer und Weihgeschenke in großer Zahl und aufglänzende Weise darbringen und viel besser als der Gerechte den Göttern und denjenigen Menschen, denen er will, dienen, so daß er natürlich auch auf die Liebe der Götter einen größeren Anspruch hat als der Gerechte. So sagen sie, Sokrates, daß von Göttern und Menschen dem Ungerechten das Leben angenehmer gemacht werde als dem Gerechten."

Platon, Politeia, Buch II, Die Gegenüberstellung des vollkommen Ungerechten und des vollkommen Gerechten, 360e - 262c, 370 v. Chr.

Samstag, 23. Februar 2013

techné

„Mir ist bei diesen Meditationen in den Sinn gekommen, dass die Theologen des Mittelalters den Begriff „logos“ nicht nur mit dem Wort „verbum“ übersetzt hatten, sondern auch mit dem Stichwort „ars“. „Verbum“ und „ars“ sind austauschbar. Aber nur wenn man beide Begriffe zusammennimmt, war es für die mittelalterlichen Theologen ersichtlich, was die wahre Bedeutung des Wortes „logos“ ist. „Logos“ hat also nicht nur eine mathematische Bedeutung, vielmehr müsste man sagen, dass der Begriff sozusagen ein Herz hat, denn „Logos“ ist auch Liebe.“"

Papst Benedikt XVI., Zum Abschluss der Fastenexerzitien für die Mitglieder der Kurie im Vatikanischen Palast, 23. 02. 2013

Sprengkraft und Frühling einer neuen Ökonomik

"Es darf der Begriff der Dialektik der Natur und der Gnade bei der Sicht des homo oeconomicus und naturalis eine Bedeutung haben. Denn heute findet die Gnade ihre Aufgabe darin, ihre völlige irdische Dimension in einer Ökonomie zu erhalten, wo die Materie im Menschen ihre volle Rettung gefunden hat. Hierfür genügt, dass der Christ einer Frohbotschaftsauffassung den Abschied gibt, die ihm nur durch Überlieferung lieb geworden ist. Von der neuen Schau ausgehend muss er eine Theologie erarbeiten, die Empfinden für das historische Anwachsen des Christentums in und durch die Zivilisation in Raum und Zeit besitzt."

M.D. Chenu OP, Die Arbeit und der göttliche Kosmos, Grünewald Verlag, 1956, 115

Mittwoch, 20. Februar 2013

& der Antrieb zur Fortschrittsvollendung

"Nun aber ersteht innerhalb der Menschheit ein neuer Kontinent. Im Inneren der Zivilisation offenbart die Fülle des Menschen sich in ihrer Eigenständigkeit. Zu Beginn ist der Christ hierüber überrascht, wie dies allgemein in der Menschheit der Fall ist. Bald aber muss er sich daran machen, dieses Objekt zu beschauen. Leider ist es zunächst voller Unreinheit, aber dies gilt für jede menschliche Generation. Trotzdem ist es erlöstes Land im vornherein, und er hat die Aufgabe, es seinem göttlichen Ziel zuzuführen."

M. D. Chenu OP, Die Arbeit und der göttliche Kosmos, 94

Aufklärung als Prozess des Augenlichtverfalls

"Wohl ließ eine gewisse allzu abstrakte und rationalistische Theologie des 18. Jahrhunderts, ähnlich wie eine mehr oder weniger hiervon angekränkelte Philosophie, uns den Blick für dieses gewaltige Schauspiel der Weltgeschichte aus den Augen verlieren, worauf die mittelalterlichen Summen aufgebaut hatten."

M.D.Chenu OP, Die Arbeit und der göttliche Kosmos (Pour une Théologie du Travail), Grünewald-Verlag, 1956, 94

Montag, 18. Februar 2013

Dimensionen des Heils

"Kirche - Sakrament des Heils

Die Kirche ist für die Welt da, was nicht bedeutet, dass sie nicht in erster Linie für Gott da wäre, sondern dass sie dies ist, indem sie die Welt für ihn gewinnt und sie in Jesus Christus zu ihm zurückführt,. Das Thema "Kirche - Sakrament des Heils" ist eines der interessantesten der konziliaren Ekklesiologie. Die Kirche ist aufgrund der erlösenden Inkarnation und von der pfingstlichen Sendung des Geistes her die geschichtliche, öffentliche Form der Liebe Gottes für die Menschen, die sich in seinem Heilsplan und in der Hingabe des Sohnes geoffenbart hat. Sie ist gleichsam die Zukunft Christi in der Welt, sie teilt sein "Mysterium" aus. 
Das Nachdenken bezieht sich heute vornehmlich auf den Inhalt des "Heils", dessen Zeichen und Werkzeug die Kirche ist. Ist er nur in der Sündenvergebung zu sehen? Schließt er nicht die Befreiung der Menschen nicht nur von Sünde, sondern auch von Entfremdung und Sklaverei, die die Menschheit niederdrücken, ein? Wir stehen nicht allein, wenn wir diese Frage bejahen. Natürlich sind die Mittel, durch die die Kirche wirkt, von eigener Art; es sind nicht die militanten wie bei politischen Bewegungen im engeren Sinne. Doch einerseits ist der politische Einsatz - im vollen Sinne des Wortes verstanden - heute für viele Christen der Ort der Erfahrung und Erprobung des Glaubens und damit auch dessen Ausdruck. Andererseits muss der Gottesdienst der Gemeinschaft der Christen notwendigerweise das umfassende Heil, dass sie verkündet und um das es ihr geht, widerspiegeln und einschließen. Der Inhalt des (Heils-)"Sakraments"  wird somit Auswirkungen auch auf seine Form zeitigen. Unsere Feiern gehören zur öffentlichen Sichtbarkeit der Kirche und auch zu ihrer Glaubwürdigkeit. Welches Bild vermitteln sie davon?
Niemals wurde behauptet, die Liturgie mache allein das Handeln der Kirche aus. Offensichtlich kann die Kirche, die heute Werkzeug der "Menschenfreundlichkeit Gottes" (vgl. Tit 3,4) sein soll, in einer Welt und für Menschen, die entwurzelt sind, nach Hilfe, gegenseitiger Anteilnahme und Gemeinsamkeit, nach Liebe und Sinn suchen, ihre Diakonie als Zeichen und Werkzeug des Heils nicht anders denn auch außerhalb und jenseits ihres sakralen Bereichs ausüben. Und dies heißt, außerhalb und jenseits dessen, was sie zu Kirche macht, und der eucharistischen Versammlungen. Dazu gehört alles, was sie in der "Caritas", in "Justitia et Pax", an Hilfe für die Gastarbeiter, sowie im Bereich der Erziehung, der Freizeit und so weiter unternimmt. Dies alles kann zur Kirche als Heilsakrament gehören, sofern sie Zeichen und Werkzeug der Liebe und der Diakonie Gottes für die Menschen ist. Es ergibt sich von selbst, dass "Kirche" hier Volk Gottes meint.
Der Gedanke der Kirche als Zeichen ist im Bewusstsein der engagiertesten Glieder dieses Gottesvolkes sehr lebendig. Ein Zeichen kann trügen, es kann das, was es bezeichnen soll, schlecht ausdrücken. Dies hat man seit langem bemerkt. Heute gibt es eine sehr heftige Kritik an Formen der Kirche unter dem Gesichtspunkt der Unangemessenheit ihrer Zeichenhaftigkeit. Oft kritisiert man und gibt auf, was man nicht mehr als sinnhaft ansieht, doch recht oft ohne ein wirkliches Bemühen um Verstehen. Dieses Vorgehen ist nicht von vornherein ungesund. Es ist heute im Grunde mit dem Bedürfnis verbunden, die Dinge unter dem Gesichtspunkt ihres Sinnes für uns zu sehen und neu zu durchdenken. Man wendet sich von den Dingen an sich ab und sieht in der "Orthopraxis" den übergeordneten Maßstab für die "Orthodoxie". Es ist gut möglich, dass man dabei das Wesen des "An-sich" im Ausgang vom "Für-uns" neu entdeckt. Es besteht aber auch die Gefahr, eine ganz und gar menschliche Hermeneutik (das heißt: Sicht und Weise der Interpretation), wie sie die Menschheit in einer bestimmten geschichtlichen Epoche hat, anstelle einer Hermeneutik der Tradition zu setzen. Man betreibt Selbst-Interpretation, und dies oft auf unsicherer Grundlage. Doch man gefällt sich in der Unsicherheit und sieht bisweilen in dem -immerhin in der Liturgie ausgesprochenen - Wunsch, die Kirche möge sich eines ruhigen Friedens erfreuen, beinahe eine Sünde.
Bezüglich der Eucharistiefeier selbst hat man gewiss mit vollem Recht die Rolle der Versammlung als solcher wieder ins rechte Licht gerückt, ebenso wie den Aspekt der Mahlfeier, der Gemeinsamkeit des Feierns und der Einheit als Frucht des Sakraments. Dies sind Wirklichkeiten, die - in Begriffen ausgedrückt, die auf Augustinus zurückgehen - entweder zum sacramentum (der sichtbaren Wirklichkeit) oder zur res sacramenti
(der grundlegenden Gnadenwirklichkeit) gehören. Heute besteht die Gefahr, den Gesichtspunkt der Verbindung von res und sacramentum bei der Eucharistie zu vernachlässigen, nämlich die Gegenwart des geopferten und verherrlichten Christus. Christus wird nur in seinem Sein für uns gesehen. Zwar trifft zu, dass eine reine Gegenwart "an sich" schon problematisch ist für den Begriff der Gegenwart als solcher, sofern es sich um die Gegenwart einer lebendigen Person und nicht die einer toten Sache handelt. Die Frage aber ist doch, ob es wirklich Christus selbst ist, der in unserer Eucharistie und Kommunion gegenwärtig ist oder nicht."

Yves Congar, Im Geist und im Feuer, 1987, 114

Samstag, 16. Februar 2013

Logics

"Dort wo der Mensch das Gute sucht, landet er irgendwann bei Gott."
Thomas Grießbach, OP

The miracles science




"Is Belief in Supernatural Irrational?" -
John Lennox at the Veritas Forum, Harvard


„We wouldn´t dream of basing our relationship with a fellow human being on a measured performance and on the acceptance at the end of a long history of performing laws. And yet a millions of people think that that´s the way to base our relationship with God. And it seems to me here, and let me say it straight:
Christianity competes with no other religion. But as far as I can see, Christ is the only person that offers me the knowledge of forgiveness right here and now. So in my life I try to live for him not in order to gain his acceptance, but because, ladies and gentlemen, I already have it. It´s not based on my performance, my merit. It´s based on the merit of Jesus Christ, who died and rose for me.“



Mittwoch, 6. Februar 2013

Alternative

"Zum Ende. - Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten. Erkenntnis hat kein Licht, als das von der Erlösung her auf die Welt scheint: alles andere erschöpft sich in der Nachkonstruktion und bleibt ein Stück Technik. " 
Theodor W. Adorno, Minima Moralia