Mittwoch, 27. März 2013

Herausgehen



„Die Karwoche zu leben bedeutet nicht nur, Christus mit einem bewegten Herzen zu folgen, die Karwoche zu leben und Jesus zu folgen heißt: lernen, aus uns selbst herauszugehen. So, wie ich es vergangenen Sonntag gesagt habe, aus uns herausgehen, um den anderen entgegen zu gehen, um zu den Randgebieten des Daseins zu gehen. Lasst uns als erste zu unseren Brüdern und Schwestern gehen, besonders zu denen, die am weitesten weg sind, zu denen, die in Vergessenheit geraten sind, zu denen, die Verständnis, Trost und Hilfe brauchen. Es gibt ein sehr großes Bedürfnis, das lebendige Zeugnis des barmherzigen Jesus, der reich an Liebe ist, zu den Menschen zu bringen!..„Christus folgen, ihn begleiten, bei ihm bleiben – das erfordert ein ‚heraustreten’. Heraustreten. Heraustreten aus dem Selbst, aus einer Welt, die den Glauben müde und aus Gewohnheit lebt, heraustreten aus der Versuchung, sich in den eigenen Schemata zu verschließen, die auch den Horizont der kreativen Liebe Gottes verschließen. Gott ist aus sich selbst herausgetreten, um mitten unter uns zu leben, er hat sein Zelt mitten unter uns aufgeschlagen, um uns die Barmherzigkeit Gottes zu bringen, die erlöst und Hoffnung schenkt. Wenn wir ihm folgen wollen und bei ihm bleiben wollen, dann dürfen wir uns nicht damit begnügen, mit den 99 Schafen auf der Weide zu bleiben, dann müssen wir ‚heraustreten’, dann müssen wir mit ihm das verlorene Schaf suchen, das was am weitesten entfernt ist.“ 
Papst Franziskus, Ansprache 1. Audienz, 27.03.13


Der neue Papst hat auf eine ungemein herausfordernde Weise den Ansatz der Evangelisierung, der Mission, der Verkündigung, des Heraustretens des Christen an den eben ungemein heraus-fordernden Punkt des Heraustretens, des Heraustretens aus sich selbst gebunden.

Der folgende Text ist ein Versuch ein wenig dem Mysterium und der Verfassung jenes Sachverhaltes des Herausgehens nachzugehen.

Es geht dabei nicht nur um ein immer noch in sich verbleibendes Mitfühlen oder Erwägen und Resonieren. Es geht, um wirksam zu werden um ein buchstäbliches Überschreiten seiner selbst, ein Überschreiten und Heraustreten aus sich selbst, welches jenem Heraustreten, jener Sendung und Kenose, jener Inkarnation des einzigen und eingeborenen Sohnes Gottes, seines ewigen Liebeswortes, auf uns zu und in uns hinein, die wir das andere seiner, wenn auch in seinem Bilde geschaffene sind. Ein Hinaustreten und Hinabsteigen in und zu jenem Bereich hin, der ihn per se ablehnt, der sich von ihm abgewandt hat und abwendet, der ihn verlassen und sich von ihm und seiner Aufgehobenheit bewußt abgewandt hat, um sich in der Gefangenschaft seiner Todesabgeschlossenheit zu verfangen und durch den Ab- und Einbruch der Schöpfung nicht mehr herauszufinden. So ist der Mensch der immer noch in jenen post-kataklismischen Zuständen Lebende, in jenen Trümmerlandschaften des gesamten Schöpfungseinsturzes Lebende, jener der sich aus seiner Verschüttetheit und aus seinem siechenden Elend nicht selbst befreien kann! In dieses Elende und Abgefallene steigt Gott hinein und hinab, um es in jenem großen kosmischen Sabbat zu sich hinaufzuwandeln und zu holen, um es über das Kreuz seiner Passion, auf dem Kreuz seines Nackens über die Schwelle und Furt des Todes erneut in jene Eröffnetheit, in jenes Licht und Heil, in jene Gesamtheit und Ganzheit hinein- und hinauf- und hinauszuholen. Herausgehen bedeutet insofern und erwirkt ein Herausholen und Heraus- und Hinausbringen. Es bedeutet und seine Frucht ist Errettung, Heil, Erlösung. Wandlung. Auferstehung. Sein Zeichen ist Christus, Christus in seinem Inkarnations- und Paschamysterium, welches die Welt im Amt der heiligen Wandlung und Eucharistie und dem Wortgottesdienst begeht.

Das ist das ungemein Herausfordernde an der christlichen Existenz, wie sie Christus als er selbst in seinem ganzen Lebensmysterium vorlebt und wie sie der heilige Papst Franziskus uns vor das geistige Auge stellt und zur Dringlichkeit der Erinnerung unserer christlichen handlung und Berufung und Königlichkeit ruft. Christliche Handlung ist eine Ekstasis, eine Sprunghandlung, ein Gehen und Besuchen und zwar des Bedürftigsten, des Ärmsten und Verlassensten, des Krankesten und Gefangensten, des Ausgestoßensten und des Verbittertsten. Sie ist eine Heimsuchung des Anderen, in welcher Heimsuchung sie die Heimsuchung der Liebe ist, welche der Christus ist: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wer in mir bleibt, stirbt nicht, sondern er hat das Leben in Fülle und in Ewigkeit. Herausgehen bedeutet die Freude, den Sieg und das Wagnis des auferstandenen, aber auch des leidenden, des gestorbenen und des abgeschriebenen Christus überall dort zu bringen und gebracht zu haben, wo kein Licht ist, keine Wärme, keine Aussicht und kein Leben. Es bedeutet, die Schöpfung mit Leben beleben. Auferwecken. Den Dienst an der Auferweckung zu leisten und zwar nicht nur an einer Auferweckung, die dann doch nur auferweckt wurde, um in den Tod zu gehen, sondern zu einer, die niemals mehr sterben wird, die immer und unaufhaltsam und exponential am Lebenswachstum und der Wucherung des Lebens im Licht Anteil haben wird, jenes Lebens, das wirklich den lebendigen Leib zeugt. 
Heraustreten mit Christus und in Christus und aus Christus, so ruft uns der Papst zu und so vergegenwärtigt es Christus, bedeutet die Abgründe und Abstände, die Berge von Abständen und von Mauern, die trennen, überspringen und überwinden, ja durch sie hindurch gehen (Wie? In der Barmherzigkeit durch die und über die Mauern gehen! Denn die Barmherzigkeit ist das Mittel, das der Herr hinterließ, sie ist der eigentlich magische Name des Heiligen Geistes, der Name Gottes, den Gott selbst uns offenbart. Sie ist der Schlüssel, der öffnet und schließt. Sie ist die Kraft und die Macht, die eben durch Mauern und Wände und durch verschlossene Türen gehen läßt. Jetzt sehen wir es! Sie ist jene Kraft und Macht der Auferstehung, des Auferstehungsleibes, des Pneumas, des Heiligen Geistes. Sie ist jene Kraft, jener Name, jenes Schibboleth Gottes. Sie ist Gott, wie er mitten unter, über, um uns ist, aus dem wir und zu dem wir hin sind. Sie ist jener Name, der alles ist, und der gegessen werden kann. Sie ist jenes, das gegessen und getrunken werden kann. Sie ist jenes, in dem wir wachsen und sterben, um erneut noch kräftiger aufzuerstehen. Sie ist jene Gegenwart. Sie ist jenes alldurchdringende und schöpferische Licht. Sie ist jenes Dunkel, das heller ist als jedes Licht. Sie ist jener Einstand, aus dem alles, in dem alles gewährt ist, in dem alles neugeworden ist, in der alle Tränen getrocknet und gelöscht sind, in der alle Tränen in jene Edelsteine der Liebe verwandelt worden sind, die Leben sind, die unverbrüchliches, ewiges Leben sind, die die Gegenwart des ewigen, des unverbrüchlichen Lebens sind.). Es bedeutet eben jenes Sich selbst Verlassen und aus sich Heraustreten, indem wir auf unseren anderen hin und zu und zu ihm eingehen und in ihn eintreten, oder vor seine Türe kommen, an seine Türe klopfen, um mit ihm zusammenzufallen, um ihm jene Umarmung anzubieten, welche alles vermählt und vereint sein läßt. Sie ist jenes hinausgehen in die Gebiete und Bereiche, die „nicht wir sind“, die nicht „in unserer Gnade sind“, die verlassen sind und die die Sünder sind. Sie ist das Hinausgehen in den und in den Bereich des Sünders, in den Bereich, des Verlassenen, der unsere Hilfe braucht, sie ist das hinausgehen in das Licht aus der verzweifelten Verschlossenheit unserer wenn auch noch so lichten Selbstverschlossenheit und -gefangenschaft und damit Finsternis. Sie ist ein Aufgang von Licht und ein Hinausgang ins Licht. Aber zunächst und zuerst ist sie ein Sterben, ein Absterben, ein Absterben von sich selbst und ein Von sich selbst Wegsterben, ein Hinausgang ins Nichts, in das Nichts der Ungewissheit, der Überlassenheit, der Ausgesetztheit, der Überliefertheit. Sie ist auch hier gleichbedeutend mit jenem Opfer, das ganz geopfert und hinausgehalten wurde „in das Nichts“ und das dort verbrannt wurde und geschlachtet wurde, sein Leben in jener Unheimlichkeit der Aussetzung ließ. Sie ist damit Anteil an Christus, dem wahren Pessahlamm, dem Lamm, das schwieg und sich nicht wehrte als man es band, um ihm die Kehle durchzuschneiden. Sie ist jenes Ur- und Grundvertrauen, dass auch wenn es nur so sein wird, dass sein Blut aus seiner Kehle auf den Altarstein tropfen wird, es dennoch sein wird, weil es in Gott ist und sein wird, und dass es es in den Armen Gottes, seines Vaters und Allerhalters und ihm ganz und besonders und seinen Verlassenen besonders nah sein wird, bevor es von ihm gesehen, berührt und wiederhergestellt, mit neuem Leben, Odem aus dem Hauch seines Mundes, mit seinem Wort der Liebe, welches das Wort des erwiderten Erbarmens ist (ob des Todesanblicks seines Sohnes!) neu ins Leben gerufen und gehoben, neu ins Leben gebracht und mit Leben angefüllt wird, welches sein Wort ist, das in es eingeht und das ihn in der Vollendung des Liebeserbarmens und -erwiderns gibt. Das Leben endet da nie, weil das trinitarische Leben ewiges, weil Liebes-in-eins-Leben ist, ein ewiger Treueaugenblick, ein ewiges In-eins-Sein noch in der Finsternis und über die Abgründe des tödlichen Scheidens hinweg, welche noch die Überbrückungskraft als Glorie seines Sieges und seiner Macht hervorleuchten lassen, um so jene Schöpfungskraft in Gnadenkraft und diese in vollkommene Glorienkraft zu konzentrieren, zu wandeln und zu erhöhen, um so die Schöpfung und sich selbst in der Selbstmitteilung und -darstellung zu vollenden. Dem Weg der Schöpfung von der Schöpfung über die Fallrettung (Erlösung) hin zur Glorie entspricht von der anderen Richtung entgegenkommend die Vollendung der Offenbarung und des „Werdens“ Gottes. Unser Gott ist ein werdender Gott, ein Gott, der ebenfalls so erniedrigt ist, dass er obwohl er Schöpfer und Allmächtig ist, trotzdem einen Weg seiner vorschreitenden Entwicklung und Entbergung und Werdung hin zu vollkommenen Inkarnation geht und gehen kann: Hin zu jener Stunde, in der er alles in allem sein wird und an der alles offenbar und in ihm einbefaßt und aufgängig gemacht worden sein wird in und aus dem niedrigsten, dem elementarsten und totesten seiner Schöpfung, dem Nichts, das ihn entbergen und freigeben und gebären wird. Das Nichts, das so geboren und befreit sein wird, indem es ein fruchtbares und gebärendes und d.h. gewährendes und nicht nur ein nichtendes Nichts geworden sein wird. Dann wird die Schöpfung vollendet sein und anfangen. So ist Gott. So ist das innere, barmherzige und somit fruchtbare Leben der Barmherzigkeit. Es befreit das Nichts und läßt so das Sein und das Alles werden. Es offenbart Gott und läßt sein Angesicht werden, Ihn  Alles in Allem und die Liebe seines Geistes, die Barmherzigkeit zum Angesicht des Atems der Welt. 

Sie geschieht, indem wir uns auf die Übergabe an die Sünde überschreiten, indem wir das Unberührbare berühren und uns berühren lassen, um so jene Liebe und jene Barmherzigkeit und das Lebenslicht, das wir besitzen, der ganzen Welt zu bringen, damit sie in jenem Licht aufginge und würde, was sie ist und sein kann: die Vollkommenheit der Schöpfung von der die Finsternis (als Mangel an Barmherzigkeit) abfällt, um vielleicht auch jene hervorbringende, jene freigebende und gewährende Finsternis und jenes gebärende Nichts zu werden, das zu seinen Ehren kommt und kommen darf, um in der Möglichkeit ihres Seins versammelt und hervorgebracht zu sein. Herausgegangen und hineingekommen zu sein.
So geschehe dieser Brand des pfingstlichen Wunders über die ganze Welt. Er senke die ganze Welt in die Flut ihrer Gnaden und lasse sie an ihr und an sich, an ihm und in ihm jenes Leben betreten, das nicht mehr endet und das unverbrüchlich ist und das sein gnädiges Gesicht trägt. Amen. 

Donnerstag, 21. März 2013

Den Durst nach dem Absoluten aufrechterhalten


"E noi possiamo fare molto per il bene di chi è più povero, di chi è debole e di chi soffre, per favorire la giustizia, per promuovere la riconciliazione, per costruire la pace. Ma, soprattutto, dobbiamo tenere viva nel mondo la sete dell’assoluto, non permettendo che prevalga una visione della persona umana ad una sola dimensione, secondo cui l’uomo si riduce a ciò che produce e a ciò che consuma: è questa una delle insidie più pericolose per il nostro tempo.

(Wir können viel tun für das Wohl der Armen, der Schwachen und der Leidenden, wir können viel tun, um die Gerechtigkeit zu fördern, die Versöhnung voranzutreiben, den Frieden zu schaffen. Vor allem aber müssen wir in der Welt den Durst nach dem Absoluten lebendig halten, indem wir nicht zulassen, dass eine nur eindimensionale Sicht des Menschen überhand nimmt, nach der der Mensch auf das beschränkt wird, was er produziert und was er konsumiert: Das ist eine der größten Gefahren für unsere Zeit.)"

Papst Franziskus, Vor Vertretern der Weltreligionen, 20. 03. 2013

Dienstag, 19. März 2013

Das Beisein des Friedens


Der Friede Gottes

Nimm gnädig an, o Gott, diese Gaben deiner Diener und deiner ganzen Gemeinde; ordne unsere Tage in deinem Frieden, rette uns vor dem ewigen Verderben und nimm uns auf in die Schar deiner Erwählten.“
1. Hochgebet des Canon Romanus

Die Fülle der jenseitig-inständigen Nähe-Ferne Gottes, seine Inwohnung und sein Sein- und Gewähren- und Freilassen sind der Quell allen Friedens und allen Segens, Gedeihens und Gelingens auf der Erde und in der Schöpfung. Er ist der Quell, er ist der Mittelpunkt, er ist der Herd. Er ist der Stern, um den und aus dem alles versammelt ist, aus dem alle Sterne und Galaxien geworden sind und in dem und aus dem sie sich drehen und dem sie singen und huldigen und aus dessen Freude, Lob und Dank sie sind. Der Dank Gottes bringt die Wirklichkeit hervor als Mitarbeit an der göttlichen Schöpfungstätigkeit. Im erwidernden Dank der Gottheit hat der Mensch Anteil an der Schöpfungs- und Erlösungsmacht Gottes. In ihm schafft er Sein, vermehrt er das Sein, die Gaben, die Substanzen um Ewigkeiten und Unendlichkeiten. Das ist die ganz normale Logik der Liebe. Aus Nichts schafft sie etwas und alles. Das Alles läßt sie in das Nichts eingehen, um so das Nichts in das Alles zu wandeln und zu erhöhen. Und das ist Schöpfung. Das ist Schöpfung aus der Erlösung. „Wunderbar hast du, Herr, die Welt erschaffen und noch wunderbarer hast Du sie erlöst.“

Der Friede Gottes ist sein Bei-uns-Sein. Seine Überfülle und seine überfüllende Überfülle, welche alles sein läßt und sein gelassen hat. Welche auch frei läßt. Wirklich frei läßt und sogar die Abkehr somit möglich macht, riskiert. Die Abkehr ist aber die Abkehr der Abgekehrten in sich und von sich selbst. Nicht der Gott verbirgt sich vor sich. Nicht der Gott verliert den Glanz und die Ewigkeit und den Frieden. Nicht er, wir sterben, wir und unsere Welt zerbrechen und sind zerbrochen und wie ein Scherbenhaufen, der auf die volle Verfügung wartet. Nicht er sondern wir sind im Krieg. Mit uns selbst, mit der Welt, mit anderen, mit Bedingungen und Gründen, mit der Schöpfung und dem Schöpfer. Wir haben die Ausweglosigkeit. Wir leben unter territorialen Bedingungen des Lebens, die Verzweiflung, Zynismus und Boshaftigkeit unbedingt nach sich ziehen. Wir. Wenn wir nicht jenen Einbruch von außen hätten. Jene unbedingte Rettung, jene Aufsprengung der Gefängnismauern, jene Wiederverfügung der Welt, jenen Frieden, der mit allem in Liebe ist und der Gott liebt und von ihm geliebt wird und die Arm in Arm Brust an Brust, Herz an Herz liegen in dem einen Blick. In dem einen Blick des ewigen Austauschs. Dem Augenblick, der ewig ist. In jenem Blick, der die ewige Besprechung, der ewige Rat ist, aus welchem die Güte ist und die Wirksamkeit und die Kraft, aus welchen jene Wunder hervorgehen, welche die Ganzheit und das Heil herstellen, erwirken. Gnadenwirken. Zum Segen werden lassen und vereinigen. Welche versöhnen, wie man wie aus einem Traum und Schlaf erwacht versöhnt und aufwacht und sich anblickt und an das normale, das zufriedene und befriedigte, das heile Leben rangeht, in welchem Heil und Hut und Dankbarkeit ist. In welchem immerwährende Heilung und in welchem Jubel, Segen und die Fülle ist.

Die Fülle, welche der Frieden des Beistands und Beiseins Gottes ist. Jenes Friedens und jener Güte aus der alles ist. 

Jener Friede und jener Beistand, welcher der ICH BIN DER ICH BIN DA ist und jener, welcher der IMMANUEL ist und jener der der GEIST DES LEBENS UND DER LEBENSSCHÖPFUNG ist. 
Jener Friede, der ist. 

Hüten und wie ein Hirte führen




Pastor bonus

Über das Hüten als die Offenbarung christlichen Herzens und der Vollendung der Schöpfung

"Die Berufung zum Hüten geht jedoch nicht nur uns Christen an; sie hat eine Dimension, die vorausgeht und die einfach menschlich ist, die alle betrifft. Sie besteht darin, die gesamte Schöpfung, die Schönheit der Schöpfung zu bewahren, wie uns im Buch Genesis gesagt wird und wie es uns der heilige Franziskus von Assisi gezeigt hat: Sie besteht darin, Achtung zu haben vor jedem Geschöpf Gottes und vor der Umwelt, in der wir leben..Jesus mit Maria zu behüten, die gesamte Schöpfung zu behüten, jeden Menschen zu behüten, besonders den Ärmsten, uns selber zu behüten: das ist ein Dienst, den zu erfüllen der Bischof von Rom berufen ist, zu dem wir aber alle berufen sind, um den Stern der Hoffnung leuchten zu lassen: Hüten wir mit Liebe, was Gott uns geschenkt hat!
Papst Franziskus, Ansprache bei der Amtseinführung am Fest des Hl. Joseph 2013 

Der folgende Beitrag ist ein kleiner Versuch dem Paradigma der Hut und des Hütens aus der Predigt des Heiligen Vaters Franziskus bei seiner heutigen Einsetzungsmesse am Petersplatz nachzudenken.

Natürlich steht das dortige Motiv sehr stark unter dem Einfluß der tagesaktuellen Vorgabe der custodia zu Ehren des Hochfestes des Heiligen Joseph.
Als solche ist die Hut und ist das Hüten eines der Hauptaufgaben der Reflexion des kirchlichen Verhältnisses, welches eines der Hut der Heiligen Mutter Gottes Maria und ihres ehrwürdigsten und allerheiligsten Kindes Jesus ist, welches der Welt Heiland und Retter war, ist und sein wird.
Die custodia ist aber auch ein und das wesentliche Verhältnis der metaphorischen und grundpolitischen Fassung des wesentlichen Betriebsverhältnisses der Welt und der "Politik der Welt" als eben der Hut der Güte und des Gutes der Welt und d.h. dann auch der ganzen und gesamten Schöpfung, welche die bloß "weltlichen" Dinge überschreitet und welche den Begriff des Weltlichen ins Unermessliche, ja wahrhaft bis ins Ewige und Unvergängliche, das Himmlische und das Elementarste ausweitet, um es dort aufgehoben und eben be- und gehütet sein zu lassen, von jener Kraft und Macht, von Ihm, der sie ins Leben gerufen und erschaffen hat und der sie ständig ins Leben und in die Wirklichkeit ruft und trägt und erlöst.

Das Hüten ist somit, und somit kann und soll und muss man auf den Schöpfungsbericht der Bibel kommen, das Schibboleth, das Zauberwort und der Schlüssel des wesentlichen Grundverhältnisses zur Welt und zum Selbst und zu ihren Gründen. Das Ganze ist eine große Hut, oder es erfüllt und kommt zu sich in der Weise der Hut und des Hütens. Es ist das Hüten eines Gartens, der an sich gut ist und voller Güter, welche durch die vielfältigen Gaben üppigst und allgenügend ausgestattet und versorgt sind, um in Gemeinschaft, Abstimmung und Verweis die Grundbefriedigung und Grundhuldigung zu leisten, welche wiederum das Ganze und aus der das Ganze erwächst und ent- und ersteht. Die Hut ist die Vollendung des Vollzuges des Ganzes. Die Hut und die Dankbarkeit. Diese zwei, welche die Zweiheit der Vollendung sind und die Entzückung, die Freude, die Heilung. Sie sind die Seligkeit des Lebens und seine Befriedigung. Sie sind das Gericht seiner Erfüllung. Sie sind der Schlüssel des Angesichts. Sie sind das Gesicht der Eröffnung.

Die Hut. Sie ist der erfüllte Vollzug. Sie ist jener Vollzug des Wachstums, der Heilung und des Gedeihs. Sie ist jener Vollzug der grundsätzlichen Eröffnung. Der Gnade. Der Freude. Der Verhandlung und Beratung. In der Hut lösen sich alle Aufgaben auf und sie lösen sich in schöpferischer Verwandlung und Dankbarkeit auf.  Sie lösen sich auf in Einvernehmen, in Versöhnung, Geduld und in Freude der übertreffenden Erwartung. Sie lösen sich auf in die Gnade der Beschenkung, in die Erwartung und die Betrachtung der Seligkeit der Heilung und der Eröffnung.

Die Hut ist die Zufriedenheit. Jene Zufriedenheit, welche das Zufriedensein nährt. Sie ist die Hut die Quelle und der Akkumulator des Friedens. Der Friede ist eine Frucht der Hut.

Die Hut ist aber Bewußtsein der Dankbarkeit. Jener Dankbarkeit, die für das Gegebene dankbar ist und die so das Gegebene in das Dankbare und in die Dankbarkeit wandelt, um so Dankbarkeit und dankbare Gegebenheit sein zu lassen. Dankbare Gegebenheit, aus der wiederum Dankbarkeit und reine Freudigkeit ist. Dankbare Gegebenheit, die das Tor und das Mittel der Gnade und des Himmels ist. Dankbare Gegebenheit, die das Alles ist, das unter uns ist, war und gewesen sein wird. Dankbare Gegebenheit, welche die Hut ist.


Beiträge zur Einheit der Welt: Meditation

L`ecclesia e il mondo

"Tu es pastor ovium
princeps apostolorum
tibi traditae sunt claves
regni coelorum.
Amen."


Samstag, 16. März 2013

Glanz



"Von daher kommt vor allem ein wiederholter und aufrichtiger Dank für die Mühen dieser besonders anstrengenden Tage, aber auch eine Einladung, danach zu suchen, das wahre Wesen der Kirche und auch ihren Weg in der Welt – mit allen Stärken und Sünden – immer besser zu kennen wie auch die geistlichen Beweggründe, die sie leiten und die ganz authentisch sind, um so die Kirche zu verstehen. Seien Sie gewiss, dass die Kirche ihrerseits Ihrem wertvollen Wirken große Aufmerksamkeit entgegenbringt; Sie vermögen die Erwartungen und Bedürfnisse unserer Zeit zu sammeln und auszudrücken, die Elemente für eine Lesart der Wirklichkeit zu bieten. Ihre Arbeit braucht Studium, Gespür und Erfahrung wie viele andere Berufe, doch bringt sie eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Wahrheit mit sich; und dies bringt uns nahe, da die Kirche da ist, um genau das mitzuteilen: das Wahre, das Gute und das Schöne „in Person“. Es sollte klar erscheinen, dass wir alle gerufen sind, nicht uns selbst mitzuteilen, sondern diese wesentliche Dreiheit, welche das Wahre, das Gute und das Schöne bilden."

Papst Franziskus, vor Vertretern der Medien, 16. 03. 2013

Donnerstag, 14. März 2013

Habemus!

                                            c KNA Bild-Reuters

"Wenn wir rausgehen auf die Straße, dann können Unfälle passieren, aber wenn sich die Kirche nicht öffnet, nicht rausgeht, und sich nur um sich selbst schert, wird sie alt. Wenn ich die Wahl habe zwischen einer Kirche, die sich beim Rausgehen auf die Straße Verletzungen zuzieht und einer Kirche, die erkrankt, weil sie sich nur mit sich selbst beschäftigt, dann habe ich keine Zweifel: Ich würde die erste Option wählen."

Jorge Kardinal Bergoglio


"Und jetzt beginnen wir diesen Weg - Bischof und Volk -, den Weg der Kirche von Rom, die den Vorsitz in der Liebe führt gegenüber allen Kirchen; einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens. Beten wir immer füreinander. Beten wir für die ganze Welt, damit ein großes Miteinander herrsche."

Papst Franziskus, Apostolischer Segen Urbi et Orbi bei der Papstwahl am 13. 03. 2013


Gaudium magnum!

Montag, 11. März 2013

Bitte

"Gott möge mir in seiner unermesslichen Güte und unendlichen Liebe die Gnade schenken, erleben zu dürfen, dass sie die Seelen mit Gott versöhnen und diesen Krieg beendigen, den ihre Söhne in ihrer Sündhaftigkeit gegen seine unendliche Güte und gegen Eure Heiligkeit geführt haben. Wenn Sie diesen Frieden zustandebringen, wird ohne Zweifel ganz Italien befriedet werden können. Wie glücklich werde ich sein, wenn ich das erleben darf, dass durch ihre Güte und Heiligkeit alle durch das Band der Liebe einig werden. Sie wissen doch, heiliger Vater, dass Gott durch dieses Band der Liebe seinen Frieden mit dem Menschen schloss. Diese Liebe, die er ans Kreuz schlagen ließ, weil der Mensch, in Liebe erschaffen, durch nichts so erschüttert werden kann wie durch die Liebe. Mit dieser Liebe des Logos, des eingeborenen Sohnes Gottes, wird der Krieg überwunden, den der Mensch durch seine Empörung gegen Gott und seine Unterwerfung unter die Herrschaft Satans verursacht hat. Auf diese Weise werden Sie, Heiligster Vater, diesen Krieg und die Herrschaft Satans in den Herzen ihrer Söhne hinausjagen. Denn der Teufel lässt sich nicht durch Beelzebub vertreiben. Das können Sie nur durch Demut und Güte. Denn sie kann Satan nicht ertragen, weil sie ihn vernichten. Mit dieser Liebe und dem Hunger nach der Ehre Gottes und dem Heil der Seelen - nach dem Vorbild des sterbenden Lammes, dessen Stelle sie ja einnehmen - werden Sie Kriegslust  und Hass aus ihren Herzen reißen und glühende Kohlen auf ihre rebellischen Häupter häufen. Auf ihre Söhne, die ja fleischgewordene Teufel sind. Auf diese süße, milde Art wird Satan und der Menschen Stolz zuschanden werden. Denn nichts bringt soviel Segen wie die Demut, und der Krieg kann nicht schneller beendigt werden als durch geduldiges Leiden und durch Ertragen der Vergehen ihrer Söhne, was die Strafe nicht ausschließt, die ihnen aber im tragbaren Maß auferlegt werden soll. So also, in barmherziger Güte und heiliger Gerechtigkeit, im Feuer der Liebe wird der Hass ihrer Herzen vergehen wie das Wasser in der Glut. Freie Bahn für die Milde, Vater! Denn sie wissen, dass der Mensch durch nichts anderes mehr gepackt wird als durch Liebe und Güte. Vor allem diese unsere lieben Italiener! Ich sehe wahrhaftig kein besseres Mittel, sie zu gewinnen. Sie werden dann von Ihnen haben können, was sie wollen. Ich bitte sie darum, um der Liebe des gekreuzigten Christus willen zum Heil und Nutzen der heiligen Kirche."

Katharina von Siena, Brief an Papst Gregor XI Januar 1377

Fest Glauben

"Die klassische christliche Lehre ist daher in der Tat bei weitem kraftvoller und revolutionärer als die platonische. Es waren Menschen mit einem unerschütterlichen Glauben an die Auferstehung, die im ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung dem Kaiser widerstanden, nicht Menschen, die Kompromisse eingingen und sich für ein bloß spirituelles Überleben entschieden. Eine Frömmigkeit, die den Tod als den Moment ansieht, "an dem man endlich nach Hause geht", als den Zeitpunkt, an dem wir "in Gottes ewigen Frieden gerufen werden", hat mit den Machttechnikern kein Hühnchen zu rupfen, die die Welt auf eine Weise zerstückeln wollen, die ihren eigenen Zwecken dient. Auferstehung ging im Gegensatz dazu immer mit einer ausgeprägten Vorstellung von Gottes Gerechtigkeit und von Gott als gutem Schöpfer einher. Jene beiden Glaubensüberzeugungen rufen kein mildes Schweigen zu den Ungerechtigkeiten in der Welt hervor, sondern eine feste Entschlossenheit, diesen entgegenzutreten. Englische Evangelikale gaben ihren Glauben an den dringenden Imperativ zur Verbesserung der Gesellschaft (wie wir ihn bei Wilberforce im späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts finden) ungefähr zur gleichen Zeit auf, als sie auch den festen Glauben an die Auferstehung aufgaben und sich stattdessen mit einem unkörperlichen Himmel zufriedenengaben. Es würde eine ausführlichere Studie als die vorliegende erfordern, wollte man sehen, ob derselbe Umschwung zur gleichen Zeit in den USA und anderswo stattfand, aber ich wäre nicht überrascht, wenn dem so wäre. Wir werden gegen Ende des Buches auf dieses entscheidende Thema zurückkommen."

Tom Wright, Von Hoffnung überrascht

Samstag, 9. März 2013

Die Arbeit für..

"Wir wissen... Aber die wirkliche Kraft des Konzils war gegenwärtig und setzt sich allmählich immer mehr durch und wird zur wahren Kraft, die dann auch wahre Reform, wahre Erneuerung der Kirche ist. Mir scheint, daß wir 50 Jahre nach dem Konzil sehen, wie das virtuelle Konzil zerbricht, sich verliert und das wahre Konzil mit all seiner geistlichen Kraft zum Vorschein kommt. Und unsere Aufgabe ist es, gerade jetzt im Jahr des Glaubens, vom Jahr des Glaubens ausgehend daran zu arbeiten, daß sich das wahre Konzil mit seiner Kraft des Heiligen Geistes verwirklicht und die Kirche wirklich erneuert wird. Wir hoffen, daß der Herr uns helfen möge. Ich werde in der Zurückgezogenheit mit meinem Gebet stets bei euch sein, und gemeinsam gehen wir voran mit dem Herrn, in der Gewißheit: Der Herr siegt! Danke!"

Benedikt XVI., Ansprache bei der Begegnung mit dem römischen Klerus, 14. 02. 2013


Donnerstag, 7. März 2013

Paradox und Siegel der Herrschaft

"Nun wohlan, Glücklicher und wahrer Christusjünger, im folgenden wollen wir, dem frommen Glauben treu, auch die Fragen von der Menschwerdung des Logos behandeln und uns klar werden über seine göttliche Erscheinung unter uns, auf welche die Juden lästern, die Heiden höhnen, die wir aber anbeten. So soll dann die äußere Erniedrigung des Logos dir geradezu Anlaß geben zu einer noch größeren und höheren Ehrfurcht gegen ihn. Denn je mehr er den Ungläubigen zum Gespötte ist, desto schlagender führt er den Beweis für seine Gottheit, weil er das als möglich offenbart, was Menschen unmöglich und darum unbegreiflich finden, weil er in seiner Güte das ehrenhaft macht, was Menschen als anstößig verspotten, weil er in seiner Macht das als göttlich erweist, was die Menschen in ihrer Weisheit als menschliche Schwächen verhöhnen, insofern er den Götzenwahn mit seiner vermeintlichen Erniedrigung am Kreuze zerstört und die Spötter und Ungläubigen unvermerkt bekehrt, so daß sie seine Gottheit und Macht anerkennen."

Athanasius der Große (295-373), Über die Menschwerdung des Logos und dessen leibliche Erscheinung unter uns, Kapitel 1

Ein Vermächtnis

    Kardinal Carlo Maria Martini SJ (2027-2012)

"Der frühere Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, starb am Freitag, den 31. August 2012 nach langer Krankheit. Er war eine der prägendsten Figuren in der italienischen Kirche. Zeitweise galt er als aussichtsreicher Kandidat für das Papstamt.
Kurz vor seinem Tod, am 8. August 2012 gab er Georg Sporschill SJ, der ihn auch in den “Jerusalemer Nachtgesprächen” interviewt hatte, zusammen mit Federica Radice ein Interview: “Eine Art spirituelles Testament. Kardinal Martini hat den Text gelesen und genehmigt.”
Frage: Wie sehen Sie die Situation der Kirche?
Kard. Martini: Die Kirche im wohlhabenden Europa und Amerika ist müde. Unsere Kultur ist alt geworden, die Kirchengebäude sind groß, aber leer und der bürokratische Apparat der Kirche bläht sich auf. Unsere Rituale und die Gewänder sind pompös. Sagt das aus, was wir heute sind? … Der Wohlstand lastet schwer. Wir sind in der Situation des reichen Mannes, der traurig weggeht, als Jesus ihn ruft, sein Jünger zu werden. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, alles zurückzulassen. Aber wir könnten wenigstens nach Menschen suchen, die frei und den Mitmenschen nahe sind, so wie Bischof Romero und die Jesuiten-Märtyrer von El Salvador. Wer sind die Helden und Vorbilder, die uns motivieren und inspirieren? Wir dürfen sie nicht durch institutionelle Grenzen beschränken.
Frage: Wer kann der Kirche heute helfen?
Kard. Martini: Pater Karl Rahner nutzte oft das Bild von der Glut unter der Asche. Ich sehe in der heutigen Kirche so viel Asche über den Kohlen, dass mich oft Hilflosigkeit überfällt.
Wie können wir die Asche entfernen, so dass die Flamme der Liebe neu aufflackern kann? Zunächst müssen wir nach diesem Feuer suchen. Wo sind die Menschen, die helfen wie der gute Samariter? Die glauben wie der römische Hauptmann? Die begeistert sind wie Johannes der Täufer? Neues versuchen wie Paulus? Vertrauen wie Maria Magdalena?
Ich rate dem Papst und den Bischöfen, zwölf außergewöhnliche Menschen zu suchen, die über die Richtung entscheiden. Menschen, die nah bei den Armen und von jungen Leuten umgeben sind und die Dinge in neuer Weise angehen. Wir brauchen die Herausforderung von außergewöhnlichen Menschen, damit der Geist überall wirken kann.
Frage: Was braucht es, um die Müdigkeit der Kirche zu bekämpfen?
Kard. Martini: Ich empfehle sehr nachdrücklich drei Instrumente: Das Erste ist die Umkehr, die Bekehrung. Die Kirche muss ihre Fehler anerkennen und dem Weg einer radikalen Umkehr gehen, angefangen beim Papst und bei den Bischöfen. Der Skandal um die sexualisierte Gewalt gegen Kinder drängt geradezu zu einem Weg der Umkehr. Die Frage der Sexualität und das Verhältnis zum Körper sind ein Beispiel. Sie sind für jeden wichtig, manchmal sogar zu wichtig. Wir müssen uns selbst fragen, ob die Menschen überhaupt noch auf den Rat der Kirche in sexuellen Fragen hören. Ist die Kirche überhaupt noch eine Authorität auf diesem Gebiet oder nur noch eine Karrikatur in den Medien?
Das Zweite ist das Wort Gottes. Das II. Vatikanische Konzil hat den Katholiken die Bibel zurück gegeben. … Nur wer in seinem Herzen dieses Wort spürt, kann bei der Erneuerung der Kirche vielleicht noch helfen und die persönlichen Fragen richtig entscheiden. Das Wort Gottes ist einfach und sucht als Ziel das hörende Herz. … Weder der Klerus noch das Kirchenrecht kann die persönliche Entscheidung ersetzen. Alle äußeren Regeln, Gesetze, Dogmen sind uns als Hilfe gegeben, damit wir Entscheidungen treffen und die Geister unterscheiden können.
Für wen sind die Sakramente? Sie sind ein drittes Heilsmittel auf dem Weg. Die Sakramente sind keine Werkzeuge zur Disziplinierung, sondern eine Hilfe für Menschen an kritischen Punkten, wenn das Leben schwer wird. Bringen wir denjenigen die Sakramente, die neue Kraft benötigen? Ich denke an die geschiedenen Menschen und die wiederverheirateten Paare und ihre Familien. Sie benötigen besonderen Unterstützung. Die Kirche hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Es ist Gnade und Geschenk, wenn Ehe und Familie gelingt … Die Art, mit der wir auf diese Patchwork-Familien umgehen, entscheidet auch über das Verhältnis der Kinder zur Kirche. Eine Frau wird von ihrem Mann verlassen und findet einen neuen Partner, der sich um sie und ihre drei Kinder sorgt. Diese zweite Liebe gelingt. Wenn man diese Familie diskriminiert, wird sich nicht nur sie, sondern werden auch die Kinder abgewiesen. Wenn sich die Eltern außerhalb der Kirche fühlen und dort keine Unterstützung finden, wird die Kirche auch die zukünftige Generation verlieren. Vor der Kommunion beten wir: “Herr, ich bin nicht würdig…” Wir wissen, dass wir nicht fehlerlos sind Liebe ist ein Geschenk, eine Gnade … Die Frage, ob Geschiedene die Kommunion empfangen können, muss umgedreht werden. Wie kann die Kirche durch und mit den Sakramenten zur Hilfe für schwierige Familiensituationen werden?
Frage: Was treibt Sie persönlich an?
Kard. Martini: Die Kirche ist 200 Jahre zurückgeblieben. Warum rüttelt das nicht auf? Haben wir Angst. Angst statt Mut? Glaube ist das Fundament und der Ursprung der Kirche – Glaube, Vertrauen, Mut. Ich bin alt und krank und abhängig von der Hilfe anderer. Die guten Menschen um mich herum ermöglichen mir die Erfahrung von Liebe. Diese Liebe ist stärker als das Gefühl der Entmutigung, das mich manchmal bei Blick auf die Kirche in Europa befällt. Nur die Liebe besiegt die Müdigkeit. Gott ist Liebe. Ich habe eine Frage an dich: “Was kannst du für die Kirche tun?”
Übersetzung: Ludger Weckel
Quelle: Corrierre della Sera vom 1.9.2012, aus: http://www.corriere.it/cronache/12_settembre_02/le-parole-ultima-intervista_cdb2993e-f50b-11e1-9f30-3ee01883d8dd.shtml (3.9.2012)."


Dienstag, 5. März 2013

Die weise Vollkommenheit

"Und wiederum die Schleifungen des Hektor um das Grabmal des Patroklos und die Schlachtungen der Gefangenen auf seinem Scheiterhaufen, alles das wollen wir leugnen, dass es der Wahrheit gemäß erzählt sei, und wollen die Unsrigen nicht glauben lassen, dass Achilleus, der Sohn einer Gattin und des höchst verständigen Peleus, des dritten vom Zeus her, und der Zöglinge des weisen Cheiron, so ganz verworren gewesen, dass er zwei einander entgegengesetzte Krankheiten in sich nährte, nämlich Niederträchtigkeit mit Habsucht und zugleich Übermut gegen Götter und Menschen.
Du hast recht, sagte er."

Politeia, 3.Buch, 391bc