Mittwoch, 31. Juli 2013

Für Papst Franziskus..

Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,
und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,
geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister
und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.

Wir steigen in die wiegenden Gerüste,

in unsern Händen hängt der Hammer schwer,
bis eine Stunde uns die Stirnen küsste,
die strahlend und als ob sie Alles wüsste
von dir kommt, wie der Wind vom Meer.

Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern
und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.

Gott, du bist groß.

Rainer Maria Rilke, 26.9.1899, Berlin-Schmargendorf,
aus Vom mönchischen Leben, Das Stunden-Buch

Lasst uns singen..!

Lasst uns singen..


Wenn ich gewachsen wäre irgendwo, 
wo leichtere Tage sind und schlanke Stunden, 
ich hätte dir ein großes Fest erfunden, 
und meine Hände hielten dich nicht so, 
wie sie dich manchmal halten, bang und hart. 

Dort hätte ich gewagt, dich zu vergeuden, 
du grenzenlose Gegenwart. 
Wie einen Ball 
hätt ich dich in alle wogenden Freuden 
hineingeschleudert, dass einer dich finge 
und deinem Fall 
mit hohen Händen entgegenspringe, 
du Ding der Dinge. 

Ich hätte dich wie eine Klinge 
blitzen lassen. 
Vom goldensten Ringe 
ließ ich dein Feuer umfassen, 

und er müsste mirs halten 
über die weißeste Hand. 

Gemalt hätt ich dich: nicht an die Wand, 
an den Himmel selber von Rand zu Rand, 
und hätt dich gebildet, wie ein Gigant 
dich bilden würde: als Berg, als Brand, 
als Samum, wachsend aus Wüstensand - 

oder 
es kann auch sein: ich fand 
dich einmal... 
      Meine Freunde sind weit, 

ich höre kaum noch ihr Lachen schallen; 
und du: du bist aus dem Nest gefallen, 
bist ein junger Vogel mit gelben Krallen 
und großen Augen und tust mir leid. 
(Meine Hand ist dir viel zu breit.) 
Und ich heb mit dem Finger vom Quell einen Tropfen 
und lausche, ob du ihn lechzend langst, 

und ich fühle dein Herz und meines klopfen 
und beide aus Angst. 


Rainer Maria Rilke, Vom mönchischen Leben, Das Stunden-Buch

Mittwoch, 17. Juli 2013

"Es werde.." - Inkarnation des Denkens

"Der Glaube benötigt in der Tat einen Bereich, in dem er bezeugt und mitgeteilt werden
kann und der dem entsprechend und angemessen ist, was mitgeteilt wird. Um einen bloß lehrmäßigen Inhalt, eine Idee weiterzugeben, würde
vielleicht ein Buch oder die Wiederholung einer
mündlichen Botschaft genügen. Aber was in der
Kirche mitgeteilt wird, was in ihrer lebendigen
Tradition weitergegeben wird, ist das neue Licht,
das aus der Begegnung mit dem lebendigen Gott
kommt; es ist ein Licht, das den Menschen in seinem Innern, im Herzen anrührt und dabei seinen
Verstand, seinen Willen und sein Gefühlsleben
mit einbezieht und ihn für lebendige Beziehungen in der Gemeinschaft mit Gott und den anderen offen macht. Um diese Fülle weiterzugeben,
gibt es ein besonderes Mittel, das den ganzen
Menschen ins Spiel bringt: Leib und Geist, Innerlichkeit und Beziehungen. Dieses Mittel sind
die Sakramente, die in der Liturgie der Kirche gefeiert werden. In ihnen wird ein inkarniertes Gedächtnis mitgeteilt, das an Räume und Zeiten des
Lebens gebunden ist und alle Sinne anspricht; in
ihnen ist der Mensch als Mitglied eines lebendigen Subjekts in ein Geflecht gemeinschaftlicher
Beziehungen miteinbezogen. Wenn es stimmt,
dass die Sakramente die Sakramente des Glaubens sind, muss man daher auch sagen, dass der
Glaube eine sakramentale Struktur hat. Die Wiederbelebung des Glaubens führt über die Wiederbelebung eines neuen sakramentalen Sinns
des Lebens des Menschen und der christlichen
Existenz. Dabei zeigt sich, wie das Sichtbare und
Materielle sich auf das Geheimnis der Ewigkeit
hin öffnen."

Lumen Fidei, Franziskus, 40

Montag, 15. Juli 2013

Dankbarkeit und Unverwurzeltheit

"Der  Lebensdank ist ein wesenhaftes Existential der Kindschaft; er ist eine unverlierbare Schuldigkeit, die ein Leben lang in der Liebe der Kinder zu den Eltern währt. Er ist kein Verhalten des sittlichen Wollens, zumindest nie dies allein, sondern entspringt der im Herzen erfahrenen Kindschaft als solcher. Wo er nicht besteht, weil die Huld nicht geschenkt wird, oder das Kind durch eine wurzellose Aktivität im gesellschaftlichen oder kollektivistischen Pflege- und Bildungsbetrieb «aus seinem Selbst ausgeht», mißt sich das Kind früh das Leben selber zu, wobei es zugleich dem Antlitz- und Gottlosen menschlicher Organisationen und Gemächte aus-geliefert ist. Es versagt seinen metaphysischen Lebensgründen die Schuldigkeit, d. h. der Mensch wird in seinem Herzensgrunde anmaßend, er vergißt die urbildlichwesenhaften und göttlichen Tiefen des Seins und Daseins und verfällt, dem Gewahrsam der Kindschaft entrückt, erinnerungslos und zuflüchtig den lebens-versichernden Umtrieben einer substanzlosen Gesellschaft. Ohne den Lebensdank ist das Leben an der Wurzel «geworfen» und «verfallen», es ist seiner metaphysischen Erhellung und seiner auf Gott verwiesenen Schuldigkeit beraubt. Er wird in seinem Geschick kein lösendes Schick-sal mehr erfahren, weil er sein zutrauendes Vertrauen an etwas Fremdes und Un-holdes vergeben und Gottes Bild in seinem Herzen verdunkelt hat. Wer Vater und Mutter vergaß, wie könnte der noch Gottes gedenken, wenn ihn nicht eine übermächtige Gnade heim-holte zu neuer Kindschaft!"

Gustav Siewerth, Metaphysik der Kindheit

Montag, 8. Juli 2013

Das Mainzer Tryptichon III Die Rettung und die Verwindung des Fehls verkünden



„32. Da der christliche Glaube die Wahrheit der 
vollkommenen Liebe Gottes verkündet und den 
Menschen für die Macht dieser Liebe öffnet, erreicht er den eigentlichen Kern der Erfahrung 
jedes Menschen, der dank der Liebe das Licht 
erblickt und dazu berufen ist zu lieben, um im 
Licht zu bleiben.“ 

Lumen fidei, Franziskus

1. Der christliche Glaube verkündet also und besteht in der Verkündigung der „vollkommenen Liebe Gottes“ (Diese aber in ihrer institutionalisierten und d.h. real gestaltgewordenen Weise und Materialisation wird christlich auch die Basileia tou Theou, das Reich Gottes genannt..) 
Diese ist im Lebensereignis Jesu vollkonkret offenkundig und angesichtig geworden. Insofern ist Jesus die Einlösung des Heilsbundes und -versprechens des Alten Testamentes. Er ist seine Vollendung und seine eigenmächtige (von der göttlichen Eigenmacht und Souveränität her) Handlung und Wirkung. Der Gott handelt in Jesus nicht mehr nur als der treue, beistehende und mitgehende Gott. Er ist auch der, der diesen Gerechtigkeitsbeistand nun endgültig in einem Heilszustand und einer Heilsgabe gewährt und eigenmächtig einsetzt. In ihm vollendet er und offenbart er die mögliche Vollendung und Wiederherstellung des Lebens. 

Diese aber erweist sich darin, dass der gerechte, jener, der sein Leben für das Leben seiner Freunde und der Anderen ihm ferner stehenden weg- und hingibt, dass also derjenige, der sich läßt und der sich im Gutestun verläßt, die Rettung erfahren wird und erfährt, dass er also die Grenze durchbricht, jenseits welcher das Heil wieder möglich und d.h. ganz konkret und leibhaftig möglich und wirklich wird. Alles in der Tat hängt an der Auferstehung und dem Gesehenwerden des Auferstandenen. 

Alles also, in der Tat, hängt beim christlichen Glauben an der wahren und realen Wirklichkeit, dem Erweis der Auferstehung. Der christliche Glaube wurzelt in diesem Sinne nicht in einem vermutenden Für wahr Glauben eines ansonsten und für den „Normalverstand“ Absurden und geradezu „Unmöglichen“ oder Übernatürlichen (denn an sich ist die Imagination eines heilen Lebens, wenn es auch nicht konkret vorgestellt werden braucht und auch als Mental- und Möglichkeitsvorstellung alleine ausreicht, um schon nicht mehr unmöglich zu sein. Der Mensch hat die Vorstellung eines heilen und ganzen Lebens, wenn er auch noch blind ist und es nicht sieht, so ist diese Mental“vorstellung“ schon die Gewähr, dass es aus der Blindheit und jenseits der Blindheit und Gebrochenheit so etwas wie eine reale Welt und eine, die den Bruch verwunden hat, gibt.)
Die Apostel haben ja den Auferstandenen gerade gesehen und nicht „geglaubt“! Sie waren ja gerade diejenigen, die NICHT geglaubt haben und trotzdem haben sie ihn gesehen, haben sie die Erfahrung seines Mit-ihnen-Seins gemacht und ihn damit als den Lebendigen und Auferstanden-Wiederhergestellten, durch den Tod Gegangenen erfahren und gesehen. Deswegen muß jeder Spiritualisierung und Psychologisierung und Metaphorisierung, wenn die Auferstehung auch diese Komponenten enthält (Wie sonst wäre sie alles?), als der letzten Basis der Auferstehung und des Auferstandenen der Riegel vorgeschoben werden. Der Auferstandene ist real auferstanden! Seine Realität mißt sich am Maßstab der „physikalischen“ Realität, dessen was wir als „naive Realisten“ für real halten würden. Nur so, dass es diese um ein Unendliches übersteigt. Nämlich genau um das Maß ihrer Vollendung. 

Die Wirklichkeit der Auferstehung kann keine andere als eine übernatürlich (d.h. gerade nicht spiritistische!!) übermächtige aufgefasst werden. Sie übersteigt ja gerade unsere Wirklichkeitserfahrung, um das Maß ihrer Vollendung und d.h. Todesüberwindlichkeit und Hinfälligkeitsüberwindung. Sie ist gerade das Erfüllte im Vergleich und im Gegensatz zu dem Hinfälligen, das wir als das Normale erfahren und ansehen. 
Sonst hat die Glaubenswirklichkeit und die Glaubenswahrheit und dann die Verkündigung keine Kraft. Sie bleibt reine Appellation, Anwähnung, Vorstellung und Imagination, absurde Beglaubigung, welche nicht letztlich überzeugen und standhalten und auch bewegen können. 
Die Auferstehung muß eine Realität sein und wir machen im Christlichen den Fehler, so will es mir scheinen, dass wir als die Quelle unseres Glaubens die post-himmelfahrtliche Gegenwart des Auferstandenen soz. als die Auferstehungsgegenwart ansehen - was sie auch ist -. Aber diese ist immer eine „verschleierte“ und entzogene eben jener, welche die wahre und die authentische Erfahrung und Widerfahrnis ist, die alles überhaupt Sehbare übersteigt und überschreitet, die sich wie die Energieentfaltung in jener Kernspaltung zu dem verhält, was dann als Licht aus der Steckdose herauskommt, wenn dieser Vergleich nicht gerade der grundverkehrteste wäre, da bei der Kernspaltung ja gerade das Gegenteil eines Erleuchtungsaufbaus und einer Leuchtungspräsenz, nämlich die Zerstörung der Zusammensetzung und damit das Negative per geschieht.

Jene vollkommene Liebe Gottes wird von den Jüngern, und nur das kann für uns ein Weg zum Zutritt und Beitritt zu jenem Auferstehungsraum sein, als die „Belohnung“ und klassisch wird hier von der Krönung gesprochen, des reinen Opfers, der reinen Hingabe und des reinen Scheiterns und Umbringens Jesu erfahren. Der Gott „belohnt“ (krönt) gerade diesen, der alles seine hingegeben hat (sein Leben für die Anderen) und der der absolute Verlierer ist (eine Schande, ein Nichts), indem er ihn gerade in diesem und durch diesen Vollzug schon in jene Erhöhung krönt und einsetzt, in der er schon der Überwindende und der Überwinder, der Sieger ist. Johannes hat diese Gleichzeitigkeit zu fassen versucht und er legt und repräsentiert Jesus aus dieser Gleichzeitigkeit der Fleischwerdung des Logos und Paulus meditiert dieses Kreuzes-Paradoxon, welches soz. Christus „konstituiert“. 

Wo und wie können wir das erfahren, was hier deduktiv soz. rekonstruiert und abgeleitet ist?
Und wir können es nicht! Weil es eben nicht ableitbar und konstruierbar ist. Es ist ja gerade das ganz Andere und das Werden und das Sich Anmelden des Auferstanden selbst, welcher als der Auferweckte und als der Auferstandene hineintritt und den ihn als Toten Erwartenden entgegenkommt.

An dieser Stelle kommen wir nicht mehr weiter.

2. Wir haben aber etwas anderes, das wir in unserer Reflexion und Realspekulation nicht als Faktizität vernachlässigen und verdrängen dürfen. Wir haben ja die Erfahrung und die Gegebenheit von welchen, die ja gerade das tun, was wir hier ableitungstechnisch nicht tun können und auch nicht tun dürfen. Sie verkünden ja und d.h. sie reden ja - wie gut oder schlecht das ist eine andere Frage, aber sie tun es und diese Evidenz dürfen wir, wenn wir kritisch vorgehen wollen nicht übergehen! - von jenseits dieser aporetischen Hinleitung und d.h. aus dem Raum der Auferstehung selbst her. Sie gehen also von der Auferstehung als dem Gegebenen und als dem Grund und dem Wovonher und der Legitimation ihres Redens. 

Sie sind dann damit auch die Verkünder jener vollkommenen Liebe Gottes. Und was wir an dieser Stelle sagen können und wollen und müssen. Wir können nicht umhin als uns kritisch und d.h. ernstnehmend und das Phänomen respektierend mit ihnen in Verbindung zu bringen und in das Gespräch zu setzen. Sie sind eine direkte Herausforderung an die Faktizität und die Empirizität unserer Vorgehensmethode. 

Wie redet ihr und wie könnt ihr von dem Auferstandenen und der Auferstehung reden?
Woher erwächst ihnen und allgemein jene Kraft und Tatsächlichkeit ihrer Rede und woher kommt die Kraft der Auferstehung?

3. Die Frage ist aber auch, ob wir die Macht und die Kraft, ob wir den Willen haben, unsere Vorstellung von der faktizistischen Materialität und der höchstens konstruktivistisch technischen, aber nie als solche zur Verwirklichung und Verkörperung kommenden Mentalität unseres Lebens und der faktizistischen Eingegossenheit in diese einerseits rigide Materialität und Physizität und andererseits berührungslose Mentalität, ob wir diese Mitte- und d.h. dann auch herzlose Gekreuzigtheit unserer Existenz oder Existenzselbstvergegenwärtigung und -vernahme, ob wir diese wesentliche Widersprüchlichkeit unserer Elementarität zu überschreiten willig und bereit sind, ob wir es wollen oder uns vorzustellen wagen, dass wir unsere Lebendigkeit auf eine Materialisation und Inkorporalisation unserer Selbst und d.h. auf eine durchgeistigte und durchseelte Verkörperung hin überschreiten oder unterschreiten, ja in sie einschreiten und uns eine solche, wenn sie auch noch so in unserem gegenwärtigen Zustand der Zersprengtheit schmerzhaft und unaushaltbar sein mag, ob wir uns eine solche Selbstkonfrontation und -eingeständigung zugestehen mögen, ob wir eine solche Selbstvergegenwärtigung wagen können und ob wir den Mut und die Kraft des Entschlusses, der Redlichkeit und des Wagnisses, ja der lebens- und selbstbewußtseinsmäßigen Pflicht zu ihr haben. Sie,  und das ist das Einzige das hierbei gewiss ist, ist die einzige Bedingung, wie wir überhaupt jenes Tor, jene Schwelle überhaupt zur Vernehmung einer Existenzaufständigkeit und -aufgängigkeit überschreiten könnten. Denn es könnte ja auch sein, dass wir die „Auferstehung“ nie erfahren würden und könnten, weil wir soz. für diese anästhetisiert, weil wir für eine solche Entwicklung und Selbsterfahrung, für ein solches wahrhaftes Zusichkommen betäubt sind und kaltgestellt, fixiert und andererseits traum- und phantasieentbunden sind, so dass uns ihre Erfahrung und die Begegnung Auferstandener, wenn sie auch noch so inständig wäre, schlicht unmöglich wäre, wie es einem komatösen Patienten z.B. - und deswegen wir er ja auch als komatös bezeichnet! - unmöglich ist auf lebendige Weise auf die Begegnung der allumständigen Lebendigen zu reagieren. 
Dies müssen wir ehrlichkeitshalber nur erkenntnistheoretisch und grundempirisch bedenken, wenn wir uns weiter zur Eruierung der Auferstehungserfahrung vorwagen oder in sie einzutreten streben.
So ehrlich müssen wir einfach zu uns sein, dass wir schlicht als die Erkenntnissuchenden erkenntnisdisqualifiziert sein könnten. Ja wir müssen dieses Option streng genommen methodisch in unsere Forschung und in unser Fortschreiten einflechten.
Es könnte ja - wie in dem Text Die Grunderfahrung der Liebeseröffnung und Lebensverwandlung
  erschlossen wurde - schlicht sein, dass wir liebeswahrnehmungsmäßig neurologisch sozusagen gestört und aufgrund eines Unfalls und einer Betäubung und/oder Selbstbetäubung verhindert sind, dass unsere „Freiheitskonstitution“ - und nichts anderes will die Lehre der Kirche von der Gefallenheit der Natur dar- und realistisch feststellen - gerade durch eine Ablehnung und Verhinderung jener Liebeseingeständigung und einer Überlassung an sie konstituiert, ja gerade definiert ist (Was aber in ihrer Zwangsunbedingtheit gegen ihre Freiheitlichkeit spricht und was damit das halbe Gegenteil der Freiheit ist. Es handelt sich um einen Eigenwillen, der erst wenn er diese seine Grundbedingtheit offen eingeständigen würde, sich als freier und freiheitlicher, wenn dann aber immer noch in einem totalen Selbst-Widerspruch befangener offenbaren würde). 

4. Dennoch, so kommt es mir vor, können wir „übergangslos“ jene Auferstehungs-erfahrungs-schwelle nach diesem Durchgang wagen. Gerade durch jene Hinleitung, die keine Ableitung sein kann, durch jene Erfahrung und das Vernehmen der Faktizität der Verkündigungszeugen und durch die Feststellung dieser „Freiheitsselbstverhinderung“ und damit den schwebenden Erweis ihrer Freiheitsdefektibilität können wir uns entscheiden, uns dem reinen Sinngehalt und der reinen Faktizität der Rede von der Verkündigung der Erfahrung der vollkommenen Liebe zu stellen, oder uns in sie oder in ihr aussetzen, ohne etwas annehmen zu müssen oder ohne uns gegen etwas instinktiv stellen zu müssen. 

Warum können wir nicht dem reinen Sinngehalt und d.h diesem reinen Text als solchen begegnen und uns ihm begegnen?

„Da der christliche Glaube die Wahrheit der 
vollkommenen Liebe Gottes verkündet und den 
Menschen für die Macht dieser Liebe öffnet, erreicht er den eigentlichen Kern der Erfahrung 
jedes Menschen, der dank der Liebe das Licht 
erblickt und dazu berufen ist zu lieben, um im 
Licht zu bleiben.“ 

In der Tat stellen wir uns dann grundsätzlich der „Option“ oder dann schon der „Fürwahrhaltung“, der „Erfahrungsstrahlung“ der absoluten und vollkommenen Liebe. Wir können uns immer noch gegen sie entscheiden. Aber warum sollten wir? Warum sollten wir und warum sollte sich irgendjemand gegen eine solche wirkliche Zusage und Aussage der vollkommenen Liebe auch Gottes als des vollkommen Liebenden und Zusagenden und Bergenden und trotzdem Freilassenden stellen? Warum soll jemand gegen eine solche Option und Konstellation sein? Ich denke auch, dass das niemand sein wird und wenn ja, würde er es selbst an erster Stelle eigentlich nicht wollen müssen! Das ist eine Evidenz in sich. Es gibt nichts, was gegen eine solche Konstellation der vollkommenen Liebe auch Gottes sprechen würde. Es gibt nichts dagegen und alles spricht dafür und ist darin aufgehoben.

Und damit haben wir, das würden auch die Apostel so bestätigen, den Raum des Auferstandenen betreten. Jenes Auferstandenen, der durch die Wände und verschlossenen Türen geht und gehen kann und der trotzdem viel realer ist als das, was an ihm mit ihnen seiend isst und trinkt und leibhaftig umgeht. 
Wir haben den Raum der Vollkommenheit betreten und/oder sind in seine Gnade geraten.


Und da ist es zwar nicht nur an uns, aber auch an uns, sich in jene Bewegung hineingezogen zu haben, in welcher wir - als wir - daran tun und beteiligt sein können, dass diese Auferstehungserfahrung eine zunehmend konkretere und offensichtlichere und faktizistischere oder freiere, traditionellere oder neukreationale, befriedigende, erfüllende und freilassende wird, bis sie in jener großen Fülle vollendet wird, in der wir ganz schauen und ganz anfassen und mit sein werden. 

Sonntag, 7. Juli 2013

Das Mainzer Tryptichon II Die Grunderfahrung der Liebeseröffnung und Lebensverwandlung



„Der Glaubende wird von der Liebe verwandelt, der er sich im Glauben geöffnet hat. In seinem Sich-Öffnen für diese Liebe, die ihm angeboten wird, weitet sich sein Leben über sich selbst hinaus.“ (Abschnitt 19)

Lumen fidei, Franziskus

1. Der obige Satz der Enzyklika Lumen fidei über den Glauben von Papstes Franziskus erfasst im Wesentlichen das Geschehen, welches mit dem christlichen Gläubigen passiert. Der Glaubende öffnet und d.h. setzt sich der Liebe im Akt des Glaubens aus, die ihn damit verwandelt und in eine Bewegung der Wandlung hineinzieht. In dieser VerwandlungsAussetzung wird das Leben in eine Drehung hineingezogen, welche eine Öffnung „über sich hinaus“ ist. 

Aber sind wir von der Liebe erfasst und von welcher Liebe können wir erfasst werden, welche uns in eine solche Verwandlungs- und Überschreitungsbewegung hineinziehen könnte?

Die Rede von der Liebe, ja von der Liebe Gottes und vom Gott als Liebe gehört zu den Gemeinplätzen der christlichen Religion und ist trotzdem - so meine These - nicht weniger dunkel und unbetreten bis auf den heutigen Tag geblieben. 
Nicht aber, dass die Liebe erklärt werden kann. Sie ist ja gerade jenes, das unerklärlich bleibt und gerade dadurch umso wirksamer ist. Sie bedarf keiner Erklärung und so wirkt sie umso mächtiger. Die Liebe ist ein Geschenk, eine Gabe, eine Gabe der Überströmung. Wer liebt überströmt und wer geliebt wird, wird überströmt, eingefasst und trotzdem stehen gelassen, in seiner Selbsthaftigkeit unangetastet gelassen. 

Das ist geschenkt. Und trotzdem bedarf - so meine zweite These -gerade diese Liebe einer metaphysischen oder philosophischen Vermittlung und Aufklärung, wie ich es nennen möchte. Sie bedarf ihrer, wie gesagt, nicht als ihrer Begründung oder Bedingung. Sie bedarf ihrer nur höchstens als Vermittlung und Eröffnung, einer Eröffnung, die sonst leicht der Gefahr zum Opfer fällt, unbemerkt und mißachtet geblieben zu sein, weil sie dem Vernehmen zu schwer wäre und das gerade in ihrer Unmerklichkeit, in der sie gelegentlich zu  erscheinen pflegt. 

Was meine ich damit? Was meine ich mit einer metaphysischen oder philosophischen Vermittlung der theologalen Liebe von der das Christentum ausgeht und von der es (die ganze Zeit) redet und die es eigentlich zu verkünden hat?

Ich meine damit, eine solchartige Aufschlüsselung der Existenzialstrukturen, dass die Notwendigkeit, der Fehl oder die Tatsächlichkeit von so etwas wie der grundexistenzialen Liebesbedingung und des grundlegenden Liebesereignisses offenkundig wird oder in seiner Notwendigkeit ersichtlich wird. 

Der Mensch lebt auch vor allem, wenn er nicht im Gnadenzustand der supranaturalen Eröffnetheit einer solchen grundlegenden Liebe und der Eröffnetheit und Plausibilität der offenbarungs- und überlieferungsmäßigen Mitteilung und Überlieferung lebt, in einem Zustand der philosophischen Vorläufigkeit seiner Selbstverständigung und -vermittlung. Philosophisch meint hier nicht, dass er grundsätzlich immer aktiv systematische Philosophie (wie ein Hochschulprofessor für Philosophie) betreibt. Philosophisch meint und bezieht sich eher auf den Modus seiner Selbst- und Weltvergegenwärtigung, welche - und das gilt typologisch für den Modus seiner gegenwärtigen postaufklärerisch abgeklärten Eröffnung - die Metaphysik und die Grundbedingung seiner zumeist wissenschaftlich-rational-instrumentalen Selbstvermittlung ist. 
So gesehen bedarf eine Eröffnung oder eine versuchte Annäherung, Thematisierung und vielleicht dann Eröffnung und Hinleitung der grundexistenzialen Liebesbedingtheit und -erfahrung oder ihres Fehls und Mangels der vermittelnd-vorbereitenden Eröffnung und Eruierung über den Modus der Selbstvergegenwärtigung und -verständigung selbst, um wahrnehmbar und vermittelbar zu sein und zu werden. 

Das Christentum redet ja von einem Geschehen und einer Gegebenheit und Eröffnung der alles versöhnenden, heilenden und heiligenden Liebe Gottes in und durch Jesus Christus, welcher in seinem Tun und durch sein Tun, diese Gegebenheit und Tatsächlichkeit der allgegenwärtigen und allgegenwärtigenden Liebe Gottes eröffnet und d.h. präsentabel gemacht hat. 

Im Tun Jesu und durch sein Tun (und d.h. auch in und durch sein „postmortales“ Tun als sakramental-leibhaftig gegebener und gegenwärtiger Christus) vermittelt und ereignet sich, geschieht leibhaftig jenes, was die grundexistenziale Erfahrung und Gegebenheit der grundexistenzialen Liebe Gottes an seine Kreatur ist und was theologal in der Rede vom Werden der Gotteskindschaft bezeichnet wird. 

Wie ist aber dieses existenzstruktural vermittelbar und damit eröffenbar?

Der Mensch ist ja das Wesen, das als Mensch vollbewußt heilserwartend ist und das diese existenziale Heilserwartung aber nicht natural im Sosein seiner Existenzerfahrung erfährt. Insofern ist die Rede von der Geworfenheit des Menschen, in welcher die Existenzphilosophie die Grunderfahrung des Menschen in der Welt zu fassen versuchte, nicht ganz an der realen Erfahrung der Existenz vorbei gewählt. Die Erfahrung ist aber viel schlimmer und deswegen auch viel betäubter in der bewußten Selbstwahrnehmung. Der Mensch ist nicht als tierischer Wurf in seinem Leben ausgesetzt, was ja an sich nicht so tragisch und verheerend wäre, denn ein Tier beklagt meistens nicht den Zustand seiner Geworfenheit, weil es ihn als solchen nicht vernimmt. Der Mensch hat aber als Mensch das Vermögen der Aussetzungswahrnehmung und als solcher erfährt er sich in der Welt. Aus diesem Grund ist die Betäubungsneigung und -bedürfigkeit des Menschen verständlich. Mit allen möglichen dürftigen Bekleidungen und Bedeckungen versucht der Mensch seine Nacktheit und Unbehaustheit notdürftig zu kaschieren und zwar des nackten Schutzes wegen.
Der Mensch findet sich - und das auch noch in den scheinbar versorgtesten Verhältnissen - vor in Zuständen und Bedingungen, die nicht ideal sind und die ihm somit jeden Augenblick seine Verletzbarkeit und Ausgesetztheit bewußt machen müßten, was auch nur als geringe Defektivität für den Menschen als das offen wahrnehmende geistige Wesen das Tödliche und das Verheerende ist. Der Mensch ist als Mensch und d.h. mit seiner geistigen Vernahme auf das Heile und Vollkommene angelegt, das ihm das Natürliche und Angemessene ist. Alles andere - seine Todesverurteiltheit, seine Krankheits- und Verletzungsanfälligkeit, seine Gewaltbedrohtheit und Hassausgesetztheit - sind auch noch in minimalen Dosen verheerende Vergegenwärtigungen einer Gefallenheit und naturalen Gebrochenheit, die ihm die Lebensbedingungen zu einem Ort permanenter Scheiternbewußtheit gewärtigen und so zu Unwohnorten machen lassen. Der Mensch ist in dem Zustand seiner Bedingung, in der er ist, nicht wohl und nicht wohl aufgehoben. Ja, er ist im präzisen Gegenteil dessen. 

Dieser kurze Exkurs zur Grundbedingtheit der menschlichen Existenz hat nicht zum Zweck eine Elaboration über den defektibilen Zustand und die Gefallenheitsweise der Natur zu haben. Vielmehr liegt ihr Zweck in unserem Zusammenhang nur darin, auf die Offenheit der Angewiesenheit der Existenzgrundstrukturen auf so etwas wie eine bergende und dann auch heilende Zuwendungserfahrung aufmerksam zu machen. Die Existenz des menschlichen Lebens ist auf eine heilende Liebeszuwendung angewiesen und letztlich nur auf sie angewiesen und von ihr abhängig. 

Die grundexistenziale Liebe und Liebeserfahrung, das wird aus der kurzen grundstrukturalen Exposition der Grundstruktur der Existenz deutlich, muß nicht eine heilsneutrale Liebe sein. Unser Sein ist von solcher Bedingtheit, welche zur Folge haben, dass eine Liebe für seine Bedingungen auch gleichzeitig heilsame Liebe sein und diese bedeuten müßte. Die grundexistenziale Liebe hätte, und nur als solche hätte sie in diesem unseren realen Zustand Sinn, eine grundleidheilende zu sein. Dann und danach - nach dieser Verwandlung - könnte sie dann auch eine selbstzweckhafte Liebe, einfach Liebe, überfließende und überschießende oder einfach gewisse und daseinende und zugesagte Liebe sein, welche wie die Sonne einfach das Leben und die Existenz erleuchtet und erwärmt und so sich als ihr Grund erweist, ausweist und als die Gewißheit der Präsenz des Anderen zusagt. 

Spätestens an dieser Stelle wird der Einwand eingebracht werden oder sich der Mißmut regen, welcher besagen wollen würde, dass ja diese Ableitung und scheinbare grundexistenziale Exposition und Ausweisung der Grundliebesbedürftigkeit der Existenz ja eine Wunschprojektion ist und dass die Grundstruktur der Existenz bei Leibe nicht so beschaffen ist, dass sie eine formal-strukturale Ableitung einer soz. transzendent-transzendentalen Liebesnotwendigkeit erlaubt. Vielmehr sei ja die Grundtatsächlichlichkeit der Grundstruktur der Existenz gerade als solche wahr- und hinzunehmen und alles andere wäre dem Unvermögen geschuldetes Denken, sich nicht der wenn auch harten und rauen Realität des Tatsächlichen stellen zu wollen und zu können und ihr durch die Eröffnung und dann den Aufbau von wunschprojektionalen Scheinkonstruktionen, welche den Schmerz der Ausgesetztheit überbrücken helfen sollen, diesen angeblich auszuhelfen. 

Viel ist gegen einen solchen die letzten 200 Jahre vorgebrachten Einwand entgegenzustellen versucht worden. Ich denke, dass sich gerade unter freien geistigen menschlichen Wesen ein Eingehen und dann damit eine Verteidigung gegen solche Vorwürfe aber doch erübrigt und letztlich eigentlich verbietet. Die menschliche Existenz als solche in ihrem Vernehmen, Begehren und Entwerfen hängt an den Bedingungen der Vollkommenheit und Heilheit. Diese ist geradezu gleichbedeutend mit dem Proprium des Menschlichen - so meine Gegenthese -. Und das nicht extrinsisch, offenbarungstheologisch. Die Offenbarungstheologie hilft der menschlichen Befindlichkeit nur diese ihre Eigenheit wahrzunehmen und als ihre eigenste wahrzunehmen und dann auch zu behaupten. Der Mensch in seiner Grundverfassung ist geradezu angelegt auf das Vernehmen und dann auch auf die Antwort auf jene unbedingte und unübersteigbare Grundliebeserfahrung, Gemeintheit und Gewolltheit, welche aber anfänglich, ob des Zustands seiner jetzigen Natur wegen, eine heilsame, ja erlösende sein muß und müsste. 

Nun liegt ja der Akt der Heilung und Erlösung gerade darin, das verletzte Bedürfnis der Liebesnotwendigkeit zu heilen und somit die Grundliebesbedürftigkeit überhaupt zu eröffnen. Denn diese ist ja gerade abgeschnitten und verletzt. Die Gefallenheit bedeutet ja gerade die Abgefallenheit und Abgeschnittenheit von jener allumfänglichen, bergenden und tragenden Liebe und Gewolltheit. Sie bedeutet ja gerade den Tod jenes Liebesvermögens und -sinnes. Es ist so wie wenn ein Organ bei einem Unfall abhanden kommt und gekommen ist. Die Funktion des Organs ist höchstens noch in Phantomform ausführbar und überhaupt vernehmbar. Wir sind tatsächlich metaphysisch an dieser Liebesstelle tot und unsere Erlösung besteht gerade in der (wunderbaren) Wiedererweckung dieses Vermögens und Organs. Insofern kann man hier ruhig von der Auferstehung der Toten sprechen. ...

2. „Der Glaubende wird von der Liebe verwandelt, der er sich im Glauben geöffnet hat.“

So spricht der erste Satz in dessen Auslegung wir einzudringen versuchen, um jene eigentümliche und spezifische Liebes- und Liebeseröffnungserfahrung zu befragen. 

Der Glaubende ist ja als jener, welcher unter diesen grunddefekten Verhältnissen, - aus welchen Gründen auch immer und das heißt wodurch auch immer. Denn gerade das ist ja der Fall, der in jenem defekten Zustand nicht passieren kann. Jemand, dem die Ohren abhanden gekommen sind, kann nicht plötzlich von sich aus anfangen zu hören, oder jemand, der die Augen verloren hat, zu sehen. Er muß auf eine im wahrsten Sinne des Wortes Ein-gebung reagieren, die in ihn eingelegt ist. Das ist der streng phänomenale Grund der Rede von der Gnadennotwendigkeit des Glaubens, und d.h. vor allem des Liebesglaubens, der sich der Liebe einfach geöffnet hat und d.h. wie wir jetzt streng sehen können, welcher für jene Liebe eröffnet worden ist.  Das ist was wir struktural auf dieser existenzstrukturalen Ebene sehen und vernehmen können. Wir öffnen uns aus welchem auch immer Grund dem Glauben an die Liebe (oder nicht). Das ist das einzige, was wir an dieser Stelle konstatieren können. Und werden verwandelt, werden in eine Verwandlungsbewegung hineingenommen und -gezogen. 

Wir wissen ja aber, dass hinter einer solchen strukturalen und annonymen Phänomenalität und Bewegung immer eine personale, zumindest willentliche Bestimmheit stehen muß, wenn denn auch die Liebe, die eröffnet wird und wurde, eine letztlich personale und willentliche Eigenheit hat und haben soll. Wir wissen, dass eine solche Eröffnung in einem Kontext von Erzählungen, Überlieferungen und direkten Erfahrungen steht, welche die Eröffnung personal identifizierbar und nachvollziehbar werden und sein lassen. 
Wir wissen, dass hinter der ersten und der Grunderfahrung der Liebeseröffnetheit der Existenz die Grunderfahrung der Jünger mit Jesus stand, den sie und d.h. dessen gesamtes Leben und das wiederum heißt, wessen gesamte Lebensfrucht und dessen Lebensergebnis sie als eine unmittelbare und leibhaftig konkrete Erfahrung der Selbst-vermittlung geradezu der grundexistenzialen Liebe und Zusicherung Gottes gerade in Jesu und d.h. in Jesu Leib verstanden, welcher die Gabe der unbedingten Liebe an alle, an die gesamte Existenz und Schöpfung ist, welcher seitdem innerst eingepflanzt und eingelegt ist in die Mitte der Schöpfung und noch über seinen Tod hinaus und über ihn hindurch, als die Gegenwart dieser Liebes-Selbst-Zusage, als die Zu-Gabe dieser die Ferne aufhebenden und darin zugleich den Fehl der Schöpfung behebenden Liebes-Selbst-Präsenz, welche damit die Überbietung der Heilung und Erlösung darstellt und einrichtet und damit die neue Schöpfung eigenmächtig einsetzt und zum Werden ermöglicht. 

3. Warum aber ist jener, ist gerade Jesus und kann Jesus jener sein, welcher tatsächlich jener Liebesgrundvermittler ist und sein kann?
Er ist es, weil er 1. sich hingibt und als solches haben die Jünger sein Leben und d.h. vor allem seinen Tod erfahren und er ist es, weil er 2. sich als der diese Übergabe und über diese Übergabe hindurch Überlebende erweist. Er wird als der Sich Hingebende und als der tatsächlich Gegenwärtige erfahren. Und somit wird er als das unbedingte Mit-uns-Sein Gottes erfahren, das sich unbedingt hingebende Mit-uns-Sein Gottes und dieses sich hingebende Mitsein ist ja gerade der Bedeutungssinn und dann der Ausweis der Liebe. Die Liebe erweist und beglaubigt sich in dieser Selbsthingabe. Sich selbst näher als das Herz des Beschenkten geben. Näher und inniger als das Selbst selbst dem Selbst und dem Leben sein. Das ist die Grundevidenz der dann auch heilsamen und eröffnenden Gegenwart der grundexistenzialen Liebesgegenwart und Liebeserfahrung. Das Feuer, das von innen brennt und entzündet. Die Gabe, die eingelegt und eingegeben worden ist. Die Gabe, die den Tod und die Starre der Todeserstarrtheit auflöst und ins Eröffnen des Lebens verwandelt.
Es ist eine Eröffnung und Verwandlung des Lebens in der Tat über sich hinaus.

Ein anderer Satz der Enzyklika diesbezüglich sagt:

„Das Glaubensverständnis beginnt, wenn wir die große Liebe Gottes empfangen, die uns innerlich verwandelt und uns neue Augen schenkt, die Wirklichkeit zu sehen.“ (Abschnitt 26)

Mögen wir diese große Liebe Gottes in einem vertrauenden Glauben des Ganzen und in seiner bestimmten erlösend-rettenden Geschichte unseres Lebens in Jesus, der damit der Chrsitus wird, empfangen und dann auch annehmen, damit wir die Wirklichkeit sehen und in die Wirklichkeit kommen und in ihr zur Vollendung schreiten und dann auch in der vollen Vollkommenheit gelangen.  




Freitag, 5. Juli 2013

Das Mainzer Tryptichon I Die Dankbarkeit der Existenz


„Das Leben im Glauben heißt, insofern es Gotteskindschaft ist, das ursprüngliche und tiefgreifende Geschenk anerkennen, auf dem das menschliche Leben beruht, und kann in dem Satz des heiligen Paulus an die Korinther zusammengefasst werden: »Was hast du, das du nicht empfangen hättest?« (1 Kor 4,7).“ 

Lumen fidei, Franziskus, 19

Es könnte die Behauptung aufgestellt werden, dass das Kennzeichen unserer heutigen Zeit die tendenziell totale Abwesenheit der allgemeinen Dankbarkeit, bzw. überhaupt eines Dankbedürfnisses und einer Danknotwendigkeit der allgemeinen Existenz gegenüber ist. 

Dass überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts und damit auch dass das Konkrete und Bestimmte, das ist und das wir sind, ist, ist auch für den heutigen Menschen als ein Möglichkeitsverhältnis seines Denkens nicht selbstverständlich. Der heutige, übermäßig in der Fülle und der Gesamtheit des Innerweltlichen, Dinghaften und Atmosphärischen aufgängige Mensch, ist oder wäre durchaus in der Lage, diesen Gedanken der Frage nach einem möglichen Verdanken und damit einer allg. Dankbarkeit des Gesamten wegen zu verstehen und nachzuvollziehen. Er tut es einfach auch aus dem Grund nicht, weil er übermäßig, sagen wir, weltlich berauscht und benebelt und opiatisiert ist, um sich so mit seiner Existenz zunehmend der eines komatösen bewußtseins- und damit selbstbewußtseins- und dann auch vor allem freiheitslosen und sich entnommenen Subjekts, einer totalen vegetativen Objektivität und Vitalität anzunähern, in welcher er entweder der völligen hypnotischen Manipulierbarkeit oder Erweckbarkeit ausgesetzt und angenähert ist. 

Andererseits ist es aber auch so, dass das Verhältnis einer allgemeinen Dankbarkeit oder Dankbarkeitsfähigkeit in Bezug auf das allgemeine Vorhandenheit des Seins und der Existenz (samt eben ihrem Konkreten und in ihrem Konkreten als solchen) nicht eine Frage der Epoche ist. Es ist an sich ein schwieriges, ja fast übernatürliches Phänomen, was daran ersichtlich wird, dass eine vollausgebildete instrumentale-, technische- und observatorische Vernunft noch in ihrer extremsten Ausprägung nicht einen Anflug einer Dankbarkeitsnotwendigkeit verspüren muß und völlig in der infinitesimal-immanenten Auflösung der Möglichkeitsbedingungen des Präsenten aufgehen kann, ohne einen Augenblick jene Wende und jenen transzendentalen Schock des Bedingungssprungs zu vollziehen, welcher darin besteht, sich trotz der perfektionistischen Annäherung an das Wie warum nach dem Warum des Seins des Ganzen und des Solchen als solchen zu fragen. 
So ist, das muß zugegeben werden, das Verhältnis der Dankbarkeit gerade im reflexen Bezug der eigenen Existenz und Existenzialität eines der schwierigsten, existenzial und existenziell komplexesten und unnatürlichsten. 
Das Subjekt muß über sich hinaus greifen und sich als gegeben und davor als vorhanden wahr- und ver-nehmen. Es muß sich in seiner Existenz und Existenzialität objektiviert haben, was ja schon für das „Normalbewußtsein“ ein Akt der Unmöglichkeit ist und wäre. 

So gesehen geht eine Überlegung und Erwägung des Dankbarkeits- und des fehlenden Dankbarkeitsverhältnisses, das muß offen zugestanden werden, von einem ganzen Gebirg von Voraussetzung aus und bewegt sich somit innerhalb von Konstellationen, die auch wenn sie abwesend und schwundig sind, die prägnatesten sind. 
Verkürzend kann gesagt werden, dass sich eine solche Forderung und Konstellation innerhalb eines theistischen Welt- und Wirklichkeits- und Selbstwahrnehmungsbildes und -grundes bewegt, welcher jenes Verhältnis der Dankbarkeit bedingt und dann aufrechterhält. 

In diesem Sinne hängt die Feststellung des Schwundes einer allg. Dankbarkeit der Existenz gegenüber ihrer allg. Vorhandenheit und Gegebenheit auch und vor allem wesentlich mit dem Schwund oder eigentlicher gesagt mit der existenzial-ontologischen Verstellung des wahrhaftigen kreationistischen Gottes- und Schöpfungsverhältnisses zusammen. Die Neuzeit ist wesentlich eine Zeit, die sich durch die und aus der Durchstreichung der göttlichen Präsenz und Omnipräsenz  und Transzendenz nährt und aufbaut. 
In diesem Sinne kann und muß man sagen, dass die Neuzeit zu Ende ist. Sie hat sich erfüllt. Sie hat sich perfektioniert und vollendet. In allen ihren Varianten, den theoretischen und praktischen. Was nicht heißt, dass ihre Phänomenalitäten, Präsenzen und Variationen nicht repetitierbar sind und re-produziert werden, um einen wesentlichen Teil unserer heutigen Zeit auszumachen. Mit Nietzsche aber und Feuerbach und mit den perfektionistischen und perfektionierten Systemen der allgemeinen immanentistischen Menschenvernichtung, dem Nationalsozialismus und dem stalinistischen Sozialismus ist jene Zeit zu ihrer Apotheose gelangt und hat sich somit erfüllt. 

Wo befinden wir uns aber jetzt? 

Ich würde die folgende Charakterisierung wagen: 

Was die Immanentisierung und die antitranszendentale Abschneidung und Abdichtung der Wirklichkeits- und Selbstwahrnehmung und -projektion anbelangt, befinden wir uns in einem zunehmend globalisierten Zustand perpetuierter Nihilisierung und Objektivierung. Was heißt das? 
Die allgemeine Herkunftslosigkeit und bloße Faktizität der Wirklichkeit  und ihr reiner Ereignischarakter erfahren im mehrfach repetuierten Zustand einen Vergegenstädlichungsprozeß. D.h. sie werden zunehmend als gegenständliche Faktizität auch sogar des Gesamts der Wirklichkeit vernommen. Dieser Vergegenständlichungsprozeß aber terminiert ein Phänomen, das erneut den Raum für eine Frage des Warum des Vorhandenen eröffnet und provoziert, der aber, weil er nicht gestellt werden darf, ein Vakuumphänomen und keine Druckphänomen verursacht. 
Zur gleichen Zeit laufen allgemeine Totalisierungsbewegungen der „leichten und produktiven Abdeckung“ des Faktizitätsraumes ab. Diese sind die globale Event-medialisierung, die Totalökonomisierung, die universalistische Diskursivierung oder diskursive Universalisierung, die Retraditionalisierung und die Totalglobalisierung (als Bemühung der Aufrichtung der totalen Macht des totalen Gebilds). 
Wie man leicht merken kann, verlaufen die Zugkräfte allgemeinexistenzial besehen entgegengesetzt und verursachen damit eine kraftzehrende Zerrungsbewegung, welche sich nicht anders als implosiv entwickeln kann. Das System neigt zu einer depressiven Implosion und Selbstzerstörung,
wenn es nicht in jene Bewegung abgelenkt wird und von jener Bewegung erfasst wird, welche es in den Zugzwang der Frage nach der Verdankbarkeit und dem Warum der Verdankbarkeit zieht, um es auf eine Entwicklung zu eröffnen, die es in eine erneute und nun transnatural fruchtbare Bewegung und Formationsbewegung zieht und hineinstellt, die es allererst (und gerade aus dem und am Tiefpunkt des nihilistischen Selbstschwundes) zu seiner Realisation, zur Realisation einer wirklichen Wirklichkeit und zur d.h. zur Verwirklichung einer göttlichen Wirklichkeit (aber aus der Welt und mit der Welt und durch die Welt und d.h. vermittels der Welt), zur Verwirklichung der Basileia tou Theou, des Reiches Gottes aus und durch die inkarnierte Ordnung versetzt, um so quantensprungartig (und gerade im Augenblick des Absterbens und des Verschwindens der „Religion“ und ihrer symbolischen Gesamt- und Weltordnung) auch die Religion „durch die Welt zu retten“ und zwar so indem sie die Basileia selbst verwirklicht, ohne ein Simulakrum ihrer selbst bilden und damit sich in eine systemische Aporie und zu einem vorprogrammierten Scheitern bringen zu müssen.
Denn jetzt wirkt der Gott, welcher der Gott der Liebe und als die Liebe ist, und welcher durch die Einrichtung der Dankbarkeitsbewegung ihm gegenüber und zu ihm hin, jene Vollendungsbewegung und -verwirklichung instand setzt und auf den Weg bringt, in welcher Unternehmung die Welt und die Menschenpersonen zu ihrer Verwirklichung und die Welt zu ihrer Vollendung kommt. 

Dankbarkeit wird zur Einrichtung der Perfektion, einer perfektionierten Welt, welche sich in ihrer Dankbarkeitsbewegung und in ihrem Dankbarkeitsvollzug unendlich freigibt und unendlich wiedererhält und somit unendlich befreit und unendlich bereichert und „vermehrt“. 

Die Ökonomie und dann auch Politik der Dankbarkeit und davor eine Anthropologie und Theologie der Dankbarkeit und der Freigabe sind die Antwortschlüssel auf die Schibollets unseres widersprüchlichen, aporetischen Lebens, der allgemeinen Widerspruchs- und Aporie und Virtualitätsaporiekonstellation des modernen Lebens, welche eine Postmoderne verwirklichen soll und muß, um eine wirkliche Zeit und damit um eine wirkliche Welt und ein wirkliches Selbst, eine wirkliche Oikonomia und eine wirkliche Politeia zu werden.