Freitag, 21. August 2015

Ad cardinalem Müller

"Diese Hinweise könnten entwickelt und vertieft werden. Gute Dinge lassen sich schwer handhaben, und nichts ist schwieriger zu handhaben als die Moral, besonders seitdem sie in so vielen Köpfen kantisch geworden ist, die es selber nicht einmal merken, und seitdem sie sich von der Natur getrennt hat (die sie den Regeln der Vernunft zu unterwerfen hat und die gleichwohl, insoweit sie auf das ewige Gesetz zurückgeht, selber den Maßstab für die Vernunft abgibt). Sie kann großes Unglück herbeiführen, wenn sie, anstatt von innen her auf die lebendige Bewegung einzuwirken, mit der die Ziele des menschlichen Lebens verfolgt werden, dies von außen her versucht, das heißt schließlich dadurch, dass sie dann einer amoralischen Lebensbewegung lebensferne moralische Regeln aufzwingt. Sie kann großes Unglück im Leben der Völker herbeiführen, wenn sie, anstatt von innen her auf die Politik einzuwirken, dies von außen her versucht, das heißt schließlich dadurch, dass sie dann einer Politik unpolitische moralische Regeln aufzwingt."

Jacques Maritain, Der integrale Humanismus, Der Gebrauch der Moral, 174

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