Mittwoch, 2. Juni 2010

Abschied und Wiedersehen

Für Ellen Dietrich im Angedenken der Äußerung und Erinnerung

und im fröhlichen Rückerinnern und Rückblende von
Eberhard Simons´ späleio-mythologischer Differenz


Abschied

"Wenn nun aber (unter den Menschen) am vormaligen Aufenthaltsort (in der Höhle nämlich) gewisse Ehrungen und Lobsprüche festgesetzt wären für den, der am schärfsten das Vorübergehende (was sich alltäglich zuträgt) ins Auge faßt und dazu am meisten das im Gedächtnis behält, was davon zuerst, was nachher und was gleichzeitig vorbeigebracht zu werden pflegt, und der am ehesten (dann) hieraus das vorher zu sagen vermöchte, was künftig eintreten könnte, glaubst du, ihn (den aus der Höhle Hinausgegangenen) würde es (jetzt noch) nach jenen (in der Höhle) verlangen, um mit denen (dort) zu wetteifern, die bei jenen in Ansehen und Macht stehen, oder wird er nicht gar sehr das auf sich nehmen wollen, wovon Homer sagt: "auf dem Lande (oberirdisch) lebend einem fremden unbegüterten Manne um Lohn zu dienen", und wird er nicht überhaupt was immer sonst eher ertragen wollen, als in jenen (für die Höhle gültigen) Ansichten sich herumzutreiben und auf jene Weise ein Mensch zu sein?

-Ich glaube, sagte er, alles würde er eher über sich ergehen lassen, als auf jene (höhlenmäßige) Weise ein Mensch zu sein. -


&
Wiedersehen

Und nun also bedenke dieses, erwiderte ich: Wenn der solcherart aus der Höhle Herausgekommene wiederum hinabstiege und an denselben Platz sich niedersetzte, füllten sich ihm da nicht, wo er plötzlich aus der Sonne kommt, die Augen mit Finsternissen?

- Gar sehr allerdings, sagte er. -


Wenn er nun wieder mit den ständig dort Gefesselten sich abgeben müßte im Aufstellen und Behaupten von Ansichten über die Schatten, während ihm noch die Augen blöd sind, bevor er sie wieder angepaßt hat, was nicht geringe Zeit der Eingewöhnung verlangte, würde er dann dort unten nicht der Lächerlichkeit preisgegeben sein, und würde man ihm nicht zu verstehen geben, daß er ja nur hinaufgestiegen sei, um mit verdorbenen Augen (in die Höhle) zurückzukehren, daß es also auch ganz und gar nicht lohne, sich auf den Weg nach oben zu machen? Und werden sie denjenigen, der Hand anlegte, sie von den Fesseln zu lösen und hinaufzuführen, wenn sie seiner habhaft werden und ihn töten könnten, nicht wirklich töten?

- Sicherlich wohl, sagte er. -"*



*Martin Heideggers Übersetzung von Platons Höhlengleichnis, Politeia 516c-517a, aus Martin Heidegger, "Platons Lehre von der Wahrheit", Klostermann 1997

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