Samstag, 15. September 2012

Vernünftige Methoden

"Eine zweite Überlegung bezieht sich nun nicht mehr auf das pure Dass des Seins. Sie betrachtet sozusagen das Design der Welt; das Modell, in dem sie gebaut ist. Aus jenem »Es werde« ging ja nicht ein chaotischer Brei hervor. Je mehr wir von der Welt erkennen, desto größer tritt uns aus ihr eine Vernunft entgegen, deren Wege wir nur staunend nachdenken können. Durch sie hindurch sehen wir ganz neu jenen Schöpfergeist, dem auch unsere eigene Vernunft sich verdankt. Albert Einstein hat einmal gesagt, dass sich in der Naturgesetzlichkeit »eine so überlegene Vernunft offenbart, dass alles Sinnvolle menschlichen Denkens und Anordnens dagegen ein gänzlich nichtiger Abglanz ist«. Wir erkennen, wie im Allergrößten, in der Welt der Gestirne sich eine machtvolle Vernunft offenbart, die das All zusammenhält. Immer mehr lernen wir aber auch, in das Allerkleinste, in die Zelle, in die Ureinheiten des Lebendigen hineinzuschauen; auch hier entdecken wir eine Vernünftigkeit, die uns staunen lässt, so dass wir mit dem heiligen Bonaventura sagen müssen: »Wer hier nicht sieht, ist blind. Wer hier nicht hört, ist taub, und wer hier nicht anfängt anzubeten und den Schöpfergeist zu lobpreisen, der ist stumm.« Jacques Monod, der jede Weise von Gottesglaube als unwissenschaftlich ablehnte und die ganze Welt auf das Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit zurückführt, erzählt in dem Werk, in dem er diese seine Sicht der Welt zusammenfassend darzustellen und zu begründen versucht, dass nach den Vorträgen, die dann zum Buche wurden, Francois Mauriac gesagt habe: »Was dieser Professor sagt, ist noch viel unglaublicher, als das, was wir armen Christen glauben.« Monod bestreitet nicht, dass es so ist. Seine These lautet, das ganze Konzert der Natur steige aus Irrtümern und Misstönen auf. Er kann nicht umhin, selber zu sagen, dass eine solche Auffassung eigentlich absurd ist. Aber die wissenschaftliche Methode — so sagt er — zwingt dazu, eine Frage nicht zuzulassen, auf die die Antwort »Gott« heißen müsste. Welch armselige Methode kann man da nur sagen. Durch die Vernunft der Schöpfung blickt uns Gott selber an. Physik und Biologie, die Naturwissenschaften überhaupt, haben uns einen neuen, unerhörten Schöpfungsbericht geliefert mit großen, neuen Bildern, die uns das Angesicht des Schöpfers erkennen und uns von neuem wissen lassen: Ja, am Urbeginn und Grund allen Seins steht der Schöpfergeist. Die Welt ist nicht ein Produkt des Dunkels und des Sinnlosen. Sie kommt aus Verstehen; sie kommt aus Freiheit, und sie kommt aus Schönheit, die Liebe ist. Dies zu sehen gibt uns den Mut, der uns leben lässt; der uns ermächtigt, getrost das Abenteuer des Lebens auf uns zu nehmen."

Joseph Ratzinger, Im Anfang schuf Gott.. Über Schöpfung und Fall, 4 Fastenpredigten, Predigt 2

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