Freitag, 14. September 2012

Versammlung der Welt : Katholizität

Das folgende ist ein Auszug aus dem großartigen und grundlegenden Buch Catholicisme. Les aspects sociaux du dogme aus dem Jahr 1938 von Pater Henri de Lubac SJ zu einer Wiederholung der Katholizität des Katholischen als dem einzigen Grund und der einzigen wirklich heilen und aufgängigen Möglichkeit der Einigung und des Aufgangs der Welt.
Er ist zugleich auch eine wirkliche Vergegenwärtigung dessen, was das Katholische in seiner ganzen Eindeutigkeit, aber auch eben Umfassendheit und Ganzheitlichkeit ist und sein soll.

"Wie dringlich aber wird eine solche Bemühung um Verständnis dort, wo es sich um Kulturerscheinungen handelt, deren Hauptfehler manchmal nur darin liegt, daß sie uns nicht geläufig sind! Die Geschichte der Missionen bietet uns dafür manch erfreuliche Beispiele, deren Lehren noch nicht ausgeschöpft sind. Wie groß aber ist hier der Unterschied zwischen unserem großen klassischen und dem letzten Jahrhundert! Dieses, das Zeitalter der europäischen Expansionspolitik, war nur zu oft auch ein Jahrhundert barbarischer Verblendung, und niemals war unter uns das „allgemeine Vorurteil, daß die Sonne das Abendland mit ihrer ganzen Scheibe erleuchtet, auf den Rest der Welt aber nur den Abfall ihrer Strahlen sinken läßt“, mehr in Umlauf. Die Begründer unserer wisschenschaftlichen Kultur ergingen sich noch nich tin der hochmütigen Verschrobenheit derer, die ihre Früchte ernteten. Es wäre heute an der Zeit, sich zu besinnen, wie ungerecht uns der Stolz auf unsere Machinen und unsere Waffen gegen die anderen Völker gemacht hat, wie sehr die engen Gesichtspunkte einer Erziehung, die uns die einzige menschliche Kultur zu vermitteln vorgab, uns den Sinn für das Schöne, das Menschen anderer Zonen schufen, verschlossen hat. - Aber die Kirche, die von unseren Fehlern nicht befleckt wird, wird auch durch unsere Begrenztheit nicht eingeengt, durch unsere vorgefaßten Meinungen nicht verhärtet. Ihr Trachten, die gesamte menschliche Familie zu sammeln, hat mit unseren zweideutigen Absichten nichts gemein. Als Gesandtin der Nächstenliebe bekennt sie sich zu keinerlei zivilisatorischem Imperialismus. Was sich auch heute auf der Oberfläche der Erde zusammenbrauen mag, sie weiß, daß die Kulturen etwas ursprünglich Eigenes besitzen wie persönliche Wesen, daß sie unumstößlich verschieden sind. Wohl können sich alle Länder, eines ums andere, europäisch aufputzen. Die Verfahren der Großindustrie ebenso wie die politischen Formen des Abendlandes können sich überall hin verbreiten. Diese scheinbare Gleichschaltung wird aber nicht hindern, daß einige große Typen geistigen Erlebens im weitesten Sinn des Wortes bestehen bleiben, die nicht auf rein logischem Wege versöhnbar sind; und es bleibt nun die Sendung der Kirche, durch die ihr anvertraute übernatürliche Offenbarung jeden von ihnen zu reinigen und zu beleben, zu vertiefen und zu seinem wahren Ziele zu führen. Darin besteht schlechthin ihre universale Sendung, auf welche die Kirche nicht verzichten kann, um sich in den Dienst der einen oder der anderen Kulturform zu stellen.
Dies ist für sie nicht nur Sache der Gerechtigkeit. Denn abgesehen davon, daß keinem menschliechen Erfolg ewige Dauer verheißen ist, weiß sie doch: um den göttlichen Schatz, dessen Verwahrerin sie ist, auszuwerten, müssen alle Rasse, alle Jahrhunderte, alle Kulturzentren ihren Teil beitragen: ex toto mundo totus mundus eligitur (Prosper). Sie ist wie ein Schatzhaus, „wo Altes und Neues ausgegeben wird, und wo man das Gold neuer Tributzahler zur Verfeinerung einschmilzt.“. Achtsam auf die Fügungen der Vorsehung, die ihr zur ersten Entwicklung die Hilfsquellen Griechenlands und Roms bereitgestellt hatte, im Bewußtsein auch, daß in dieser Begegnung sich etwas Endgültiges vollzogen hat, teilt sie dennoch nicht den Irttum einiger ihrer Kinder, für die die Aufgabe heute schon beendet ist. Das Wunder der Vergangenheit soll sich erneuern, und so glaubt sie vielmehr na neue Fügungen zugunsten neuer Entfaltung. Noch in Stunden brutaler Kämpfe hält sie, und wär´s durch das bescheidene ihrer Mitglieder, die Hoffnung aufrecht, und in der Stille des Gebetes und Studiums wird neue Assimilation vorbereitet. Die Verchristlichung des Aristoteles druch ein paar Predigerbrüder ist kein vereinzelter Fall. Im übrigen hat ihre eigene Geschichte sie auch noch um eine andere Erfahrung bereichert; sie bewahrt ein allzu schmerzliches Bewußtsein von jenen Verarmungen, mit denen die großen Spaltungen bezahlt werden mußten, um nicht dafür einen Ausgleich zu wünschen. Und warum sollte sie die geschmeidige und starke Einheit ihrer Struktur mit einer trüben Gleichförmigkeit vertauschen wollen? Warum sollte sie „der aufgehenden Sonne die Farben der untergehenden“ leihen? Gerade als die einzige arche des Heils muß sie in ihrem großen Schiff die ganze Vielgestalt des All-Menschlichen bergen. Gerade als der einzige Festsaal des großen Gastmahls müssen in ihr die Speisen der gesamten Schöpfung aufgetragen werden. Als Christi „nahtloser Rock“ ist sie auch und zugleich Josephs „buntfarbiger Rock“. „Als Band der unauflöslichen Eintracht und des vollkommenen Zusammenhanges“ will sie eine reiche und dichte Garbe binden. Sie weiß, daß die Mannigfaltigkeit der Sitten, die sie heiligt, „die Einmütigkeit des Glaubens stärkt“, daß diese sichtbare Katholizität der normale Ausdruck ihres inneren Reichtums ist und daß ihre Schönheit in der Vielfalt leuchtet: circumdata varietate.
Sie ist die katholische Kirche: nicht die lateinische, nicht die griechische, sondern die allgemeine. Sie sagt noch immer wie zur Zeit Augustins: „Ego in omnibus linguis sum; mea est graeca, mea est syra, mea est hebraea, mea est omnium gentium, quia in unitate sum omnium gentium.“ (In psalm. 147, n. 19)Nichts wirklich Menschliches, woher es auch stamme, darf ihr fremd bleiben. „Das Erbteil aller Völker ist ihre unveräußerliche Mitgift.“ Als der Ort der Begegnung aller Sehnsüchte der Menschen und aller Wünsche Gottes will sie, indem sie allüberall den Menschen seine Pflicht lehrt, zugleich und darüber hinaus die Hoffnungen und Strebungen aller Seelen und Zeiten erfüllen. Alles sammeln, um alles zu weihen, alles zu retten. „Wer du auch seist“, sagt die Kapelle auf der Wiese, „nichts ist in dir so erhaben, daß es dirch hinderte, meine Hilfe anzunehmen.“ Um so weniger gibt es etwas Erhabenes, das der Katholizismus nicht bereitwillig für sich in Anspruch nähme. Im Katholizismus eine Religion neben anderen, eien Lehre neben anderen sehen, hieße, selbst wenn man hinzufügt, daß er die einzig wahre Religion, die einzig wirksame Zucht ist, sich über sein Wesen täuschen oder zumindest an seinem Äußeren haftenbleiben. Der Katholizimus ist die Religion. Er ist die Form, die die Menschheit annehmen soll, um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die, um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen, also alles andere als eine „geschlossene Gesellschaft“. Ewig und seiner selbst sicher wie sein Gründer, hindert ihn gerade die Unduldsamkeit seiner Grundsätze nicht bloß, sich in vergängliche Werte hinein zu verlieren, sie sichert ihm zugleich eine unendlich umfassende Geschmeidigkeit, ganz im Gegensatz zu der Ausschließlichkeit und Steifheit, die den Sektengeist kennzeichnet. Omnis gens secundum suam patriam in Ecclesia psallit Auctori (Hrabanus Maurus, De Universo, lib. 22, c. 3). Die Kirche ist überall zu Hause, und jeder soll sich in der Kirche zu Hause fühlen können. So trägt der auferstandene Herr, wenn er sich seienn Freunden kundtut, das Gesicht aller Rassen, und jeder hört ihn in seiner eigenen Sprache..“

Henri de Lubac, Catholicisme. Les aspects sociaux du dogme, 1938
(deutsche Ausgabe Glauben aus der Liebe, Einsiedeln, 258-263)

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