Sonntag, 30. September 2012

Der Selbsterweis des Unendlichen und das Problem des Unglaubens

"Das "quo maius cogitari nequit" ("das worüber Größeres nicht gedacht werden kann") war immer schon da im Denken, wenn auch zumeist und zunächst unbemerkt. Es selbst erweist sich als das "Größte", es setzt sich durch in der nie beendbaren Unruhe unseres Fragens, und am Ende in der Eröffnung des Abgrundes, der alles trägt und entscheidet und der, obwohl er zuerst als "Nichts" erscheint, die Wirklichkeit aller Wirklichkeit ist. Der "Beweis" fängt wesentlich nicht irgendwo an, mag er auch empirisch beliebig einsetzen. Er fängt vielmehr wesentlich mit seinem Resultat an, dieses ist es, was schon bei seinen ersten tastenden Schritten im Denken arbeitete, dieses leitete und trieb und ihm keine Ruhe ließ, bis es sich selber in der befremdlichen Gestalt des Nichts zeigte. Dies wird also nicht aus irgendeinem Seienden heraus bewiesen, es erweist sich vielmehr selber und durch sich selber im Denken als das Ungeheuere und Unendliche, das zugleich und im selben Zuge des Sich-Durchsetzens als das absolut Wirkliche, nämlich als das alle Wirklichkeit Tragende erscheint...

Wenn es aber so ist, daß sich das ewige Geheimnis selber anzeigt in unserem endlichen Gedanken, dann wird das Faktum des tatsächlich verbreiteten Unglaubens zu einem Problem. Wenn das Absolute von Anfang an und von sich aus das Denken in Anspruch nimmt und sich schließlich in ihm durchsetzt, wieso gibt es dann viele Menschen, die nicht an das Unbedingte glauben? Der Unglaube ist dann ein dringenderes Problem als der Glaube. Wir stellen es für den Augenblick zurück, um später wieder darauf zurückzukommen."

Bernhard Welte, Religionsphilosophie, Das ontologische Argument des Anselm von Canterbury

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