Montag, 18. Februar 2013

Dimensionen des Heils

"Kirche - Sakrament des Heils

Die Kirche ist für die Welt da, was nicht bedeutet, dass sie nicht in erster Linie für Gott da wäre, sondern dass sie dies ist, indem sie die Welt für ihn gewinnt und sie in Jesus Christus zu ihm zurückführt,. Das Thema "Kirche - Sakrament des Heils" ist eines der interessantesten der konziliaren Ekklesiologie. Die Kirche ist aufgrund der erlösenden Inkarnation und von der pfingstlichen Sendung des Geistes her die geschichtliche, öffentliche Form der Liebe Gottes für die Menschen, die sich in seinem Heilsplan und in der Hingabe des Sohnes geoffenbart hat. Sie ist gleichsam die Zukunft Christi in der Welt, sie teilt sein "Mysterium" aus. 
Das Nachdenken bezieht sich heute vornehmlich auf den Inhalt des "Heils", dessen Zeichen und Werkzeug die Kirche ist. Ist er nur in der Sündenvergebung zu sehen? Schließt er nicht die Befreiung der Menschen nicht nur von Sünde, sondern auch von Entfremdung und Sklaverei, die die Menschheit niederdrücken, ein? Wir stehen nicht allein, wenn wir diese Frage bejahen. Natürlich sind die Mittel, durch die die Kirche wirkt, von eigener Art; es sind nicht die militanten wie bei politischen Bewegungen im engeren Sinne. Doch einerseits ist der politische Einsatz - im vollen Sinne des Wortes verstanden - heute für viele Christen der Ort der Erfahrung und Erprobung des Glaubens und damit auch dessen Ausdruck. Andererseits muss der Gottesdienst der Gemeinschaft der Christen notwendigerweise das umfassende Heil, dass sie verkündet und um das es ihr geht, widerspiegeln und einschließen. Der Inhalt des (Heils-)"Sakraments"  wird somit Auswirkungen auch auf seine Form zeitigen. Unsere Feiern gehören zur öffentlichen Sichtbarkeit der Kirche und auch zu ihrer Glaubwürdigkeit. Welches Bild vermitteln sie davon?
Niemals wurde behauptet, die Liturgie mache allein das Handeln der Kirche aus. Offensichtlich kann die Kirche, die heute Werkzeug der "Menschenfreundlichkeit Gottes" (vgl. Tit 3,4) sein soll, in einer Welt und für Menschen, die entwurzelt sind, nach Hilfe, gegenseitiger Anteilnahme und Gemeinsamkeit, nach Liebe und Sinn suchen, ihre Diakonie als Zeichen und Werkzeug des Heils nicht anders denn auch außerhalb und jenseits ihres sakralen Bereichs ausüben. Und dies heißt, außerhalb und jenseits dessen, was sie zu Kirche macht, und der eucharistischen Versammlungen. Dazu gehört alles, was sie in der "Caritas", in "Justitia et Pax", an Hilfe für die Gastarbeiter, sowie im Bereich der Erziehung, der Freizeit und so weiter unternimmt. Dies alles kann zur Kirche als Heilsakrament gehören, sofern sie Zeichen und Werkzeug der Liebe und der Diakonie Gottes für die Menschen ist. Es ergibt sich von selbst, dass "Kirche" hier Volk Gottes meint.
Der Gedanke der Kirche als Zeichen ist im Bewusstsein der engagiertesten Glieder dieses Gottesvolkes sehr lebendig. Ein Zeichen kann trügen, es kann das, was es bezeichnen soll, schlecht ausdrücken. Dies hat man seit langem bemerkt. Heute gibt es eine sehr heftige Kritik an Formen der Kirche unter dem Gesichtspunkt der Unangemessenheit ihrer Zeichenhaftigkeit. Oft kritisiert man und gibt auf, was man nicht mehr als sinnhaft ansieht, doch recht oft ohne ein wirkliches Bemühen um Verstehen. Dieses Vorgehen ist nicht von vornherein ungesund. Es ist heute im Grunde mit dem Bedürfnis verbunden, die Dinge unter dem Gesichtspunkt ihres Sinnes für uns zu sehen und neu zu durchdenken. Man wendet sich von den Dingen an sich ab und sieht in der "Orthopraxis" den übergeordneten Maßstab für die "Orthodoxie". Es ist gut möglich, dass man dabei das Wesen des "An-sich" im Ausgang vom "Für-uns" neu entdeckt. Es besteht aber auch die Gefahr, eine ganz und gar menschliche Hermeneutik (das heißt: Sicht und Weise der Interpretation), wie sie die Menschheit in einer bestimmten geschichtlichen Epoche hat, anstelle einer Hermeneutik der Tradition zu setzen. Man betreibt Selbst-Interpretation, und dies oft auf unsicherer Grundlage. Doch man gefällt sich in der Unsicherheit und sieht bisweilen in dem -immerhin in der Liturgie ausgesprochenen - Wunsch, die Kirche möge sich eines ruhigen Friedens erfreuen, beinahe eine Sünde.
Bezüglich der Eucharistiefeier selbst hat man gewiss mit vollem Recht die Rolle der Versammlung als solcher wieder ins rechte Licht gerückt, ebenso wie den Aspekt der Mahlfeier, der Gemeinsamkeit des Feierns und der Einheit als Frucht des Sakraments. Dies sind Wirklichkeiten, die - in Begriffen ausgedrückt, die auf Augustinus zurückgehen - entweder zum sacramentum (der sichtbaren Wirklichkeit) oder zur res sacramenti
(der grundlegenden Gnadenwirklichkeit) gehören. Heute besteht die Gefahr, den Gesichtspunkt der Verbindung von res und sacramentum bei der Eucharistie zu vernachlässigen, nämlich die Gegenwart des geopferten und verherrlichten Christus. Christus wird nur in seinem Sein für uns gesehen. Zwar trifft zu, dass eine reine Gegenwart "an sich" schon problematisch ist für den Begriff der Gegenwart als solcher, sofern es sich um die Gegenwart einer lebendigen Person und nicht die einer toten Sache handelt. Die Frage aber ist doch, ob es wirklich Christus selbst ist, der in unserer Eucharistie und Kommunion gegenwärtig ist oder nicht."

Yves Congar, Im Geist und im Feuer, 1987, 114

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