"Mit unterschiedlichen Auffassungen von konkreten Normen für eine hier und jetzt erforderliche Menschenwürde leben zu lernen wird zu den Aufträgen moderner lebbarer Menschlichkeit gehören. Die Trauer über diesen Pluralismus gehört zu unserer (vor allem modernen) condition humaine, mit der wir fertig werden müssen, und zwar eben nicht durch diktatorische Ablehnung anderer Auffassungen. Auch diese Lebenskunst gehört zum wahren, guten und glücklichen Menschsein innerhalb der Grenzen unserer Geschichtlichkeit und Vergänglichkeit, wenn wir nicht "Megalomanen" werden wollen, die es sich in den Kopf gesetzt haben, über ihre menschliche Vergänglichkeit hinauszuschießen. Aber der Wile zum Heil aller und jedes einzelnen Menschen darf andererseits auch nicht von der "Politik" als der sogenannten Kunst des Möglichen, des Machbaren oder Erreichbaren ausgehen. Politik ist eher die schwierigere Kunst, das, was für menschliches Heil notwendig ist, tatsächlich auch möglich zu machen.
Christliches Heil, in der schon jahrhundertelangen biblischen Tradition Erlösung genannt und als Heil-von-Gott-her für Menschen gemeint, hat also mit dem ganzen Koordinatensystem zu tun, in dem der Mensch wirklich Mensch sein kann. Man kann dieses Heil - Heilsein von Menschen - nicht nur in der einen oder der anderen dieser Konstanten suchen, etwa ausschließlich in "ökologischen Appellen", im ausschließlichen "Seid nett zueinander", im ausschließlichen Umsturz eines Wirtschaftssystems (des marxistischen oder kapitalistischen) oder in ausschließlich mystischen Erfahrungen: "Halleluja! Er ist auferstanden!" Andererseits ist die Synthese von all dem ein eindeutiges "Schon-jetzt" und "Noch-nicht". Die Art und Weise, wie menschliches Scheitern und menschliche Mißerfolge verarbeitet werden, wird eine (vielleicht die wesentlichste) Form von "Befreiung" genannt werden müssen. Das könnte dann wahrscheinlich die allumfassende "anthropologische Konstante" sein, in der Jesus der Christus uns vorangehen wollte."
Edward Schillebeeckx, Christus und die Christen, 1977
Donnerstag, 18. Oktober 2012
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"Ihr habt alle Dinge verstanden, die ich euch gesagt habe, und ihr habt sie im Glauben angenommen. Wenn ihr sie erkannt habt, dann sind sie die Eurigen. Wenn nicht, dann sind sie nicht die Eurigen."
AntwortenLöschen(Nag Hammadi Library / Dialog des Erlösers)
Jesus von Nazareth war kein Idiot (altgr.: idiotes = Privatperson; jemand, der zwischen öffentlichen und privaten Interessen nicht unterscheiden kann und deshalb für ein öffentliches Amt ungeeignet ist), sondern ein Genie. Wäre er nichts weiter gewesen als der moralisierende Wanderprediger, zu dem ihn der Katholizismus (stellvertretend für alles, was sich heute noch “christlich” nennt) machte, wüssten wir gar nicht, dass es ihn jemals gegeben hat, und er wäre niemals zur berühmtesten Persönlichkeit der Welt geworden, auf der bis heute die planetare Zeitrechnung basiert. Denn die Gesinnung des einzelnen oder auch aller Kulturmenschen ist eine irrelevante Größe für das menschliche Zusammenleben in einer arbeitsteiligen Zivilisation, der Welt des Kulturmenschen.
Dass es nur eine Möglichkeit gibt, die uralte Soziale Frage zu lösen und damit Massenarmut, Umweltzerstörung und Krieg – sowie alle anderen Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen – endgültig zu überwinden, kann nur wissen, wer das bedeutendste Werk des 20. Jahrhunderts verstanden hat: “Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld”, Silvio Gesell, 1916. Alles, was davon abweicht, ist Unsinn und führt zwangsläufig in die größte anzunehmende Katastrophe der Weltkulturgeschichte (globale Liquiditätsfalle nach J. M. Keynes, klassisch: Armageddon), die uns heute unmittelbar bevorsteht.
Was Jesus wirklich und zweifellos auch verdientermaßen zur berühmtesten Persönlichkeit aller Zeiten machte, ist ungefähr damit vergleichbar, als hätte jemand bereits vor fast zwei ganzen Jahrtausenden die Allgemeine Relativitätstheorie erkannt, und macht ihn zugleich zum größten Genie aller Zeiten. Denn in einer seit jeher systemisch ungerechten Welt das Grundprinzip der absoluten Gerechtigkeit zu erkennen, ist mindestens ebenso schwierig, wie das Wesen von Zeit und Raum zu verstehen.
http://www.swupload.com/data/Das-Juengste-Gericht.pdf