Donnerstag, 17. März 2011

THEOLOGISCHE EXKURSE II: Das Therapeutische des Kreuzes

                                           © Gisela Wichern,www.fenster-zum-himmel.de
"Er rief also in seinen Gebeten diesen Gott an und flehte inständig zu ihm, er möge ihm offenbaren, wer er sei, und ihm zu dem bevorstehenden Unternehmen hilfreich seine Rechte reichen. Während der Kaiser aber so betete und eifrig darum flehte, erschien ihm ein ganz unglaubliches Gotteszeichen, das man wohl nicht leicht gläubig hinnehmen würde, wenn ein anderer davon berichtete; da es aber der siegreiche Kaiser selber uns, die wir diese Darstellung schreiben, lange Zeit hernach, als wir seiner Freundschaft und des Verkehres mit ihm gewürdigt worden waren, erzählt und sein Wort mit Eidschwüren bekräftigt hat, wer sollte da noch Bedenken tragen, der Erzählung Glauben zu schenken, zumal auch die Folgezeit der Wahrheit seines Wortes Zeugnis gab? Um die Stunde der Mittagzeit, da sich der Tag schon neigte, habe er, so sagte der Kaiser, mit eigenen Augen oben am Himmel über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet, und dabei die Worte gesehen: "ούτω νίκα", „Durch dieses siege!“ Staunen aber habe bei diesem Gesichte ihn und das ganze Heer ergriffen, das ihm eben auf seinem Marsche, ich weiß nicht wohin, folgte und dieses Wunder schaute."
Eusebius von Cäsarea , Das Leben Konstantins

Die europäische Geschichte, wie wir sie kennen oder noch gekannt haben, nimmt mit diesem Ereignis bekanntlich ihren Ausgang. In jener Atmosphäre aus glühender Schlachtfeldatmosphäre, Dringlichkeit und Bedrohtheit, glühend-tranceartig versenktem Gebet und einem höchstwahrscheinlich glühenden Wetter geht diese Erscheinung, erscheint diese Szene als das intrinsische Mal, als die geheime Festlegung dieses Kontinents und seiner Geschichte. Sie muß damit dann auch als eine Geschichte, und nur als die Geschichte?, des Mysteriums und des mysteriösen Siegens über und durch das Kreuz geschrieben und gesehen werden können. Vielleicht ist dann, wenn das geschieht, die Geschichte und die Bestimmung dieses Kontinent dann doch nicht vergangen und vorbei ohne daß  sie damit zu einem lauen  Dahingleiten auf den stillen Meeren der Geschichte verurteilt ist oder in sich hinein zu verschwinden hätte oder von Zeit zu Zeit hysterische Erweckungen und Peinlichkeiten nötig hätte, welche nur ihren eigentlichen Tod bestätigen. Aber das nur neben her. Mir geht es und ging es mit diesem staurologischen Text, also einem Text über das Kreuz und sein "Wesen", um etwas anderes.

Das Kreuz wird hier nicht als das "Siegeszeichen" gesehen. Es wird als das therapeutische und als das "Therapiezeichen" gesehen! (Ich will nicht gleich und bewußt nicht auf die Verwendung des dann doch bekannten und gebräuchlichen, aber auch am Anfang noch unbedeutsamen Begriffes des Heils und damit des Heilszeichens kommen.) Die Therapiehaftigkeit des Zeichens bedeutet aber nicht eine Nicht-Siegeshaftigkeit. Dieses Moment, das Moment des Sieges und des Siegens und des siegreichen Hervorgehens wird hier einfach noch ausgeblendet und nicht explizit thematisiert. Wie fern aber liegt es, es dann zu verwenden? ..dann wenn das Therapeutische und das Heilsame damit des Kreuzes vielleicht herausgesellt worden ist und sich erzeigt und/oder erweist hat.

Ich will deshalb diesen Text und diese Betrachtung bewußt "ganz niedrig" ansetzen. Ich will die Wirkung und dieses empirische Experiment soz. auf einer ganz elementaren Ebene betrachten, betrachtet sehen wollen und dort einschließen. Ich will also rein "naturwissenschaftlich"-unlebendig-schematisch und geometrisch soz. vorgehen wollen. Ich will ein einfaches Gesetz herausfinden und herausstellen, eine einfache mechanische Bewegung, oder ein einfaches mechanisches Verhältnis vielleicht doch (Ein Verhältnis, sage ich, und mit diesem als einem Verhältnis wird dann der ganze dynamische Zug anfangen und in ihm enthalten sein und sich befinden bis hin zu jener theologischen Darstellung und Lebendigkeit und Konkretheit der Lehre der Kirche und des gelebten Glaubens über das Kreuz und seine Heiligkeit heißt es damit und sein hochheiliges Gehemnis..)

Die strenge wissenschaftliche und "naturwissenschaftliche" Anordnung und experimententale Modellaufstellung sozusagen hat aber doch eine Voraussetzung oder einen ganzen "Berg" von Voraussetzung zur Voraussetzung, der dann doch nicht aus Exaktheits- und Redlichkeitsgründen in den Akten des Experiments unerwähnt bleiben soll und darf und der verzeichnet und notiert werden muß.
Er bedeutet eine Voraussetzung und "Unterstellung", Hypothese über das Wesen und die Beschaffenheit damit und die Verfassung des "kranken" und dahinsiechenden und unzulänglichen Leibes, jenes Leibes, der geheilt werden soll, jenes Leibes und jener Beschaffenheit, die vom Leid und der Krankheit und der Unzulänglichkeit und dem Siechtum befreit werden soll, wenn geheilt wird und das Heil hergestellt.

In diesem Fall bedeutet das Kreuz und das Kreuzigen, und das soll hier durchaus nicht und auf keinen Fall zynisch und verächtlich und verderblich gemeint sein, das Aufspannen und damit den Aufriß, die Öffnung und Eröffnung eines Insichverkauerten und -eingerollten. Sie bedeutet damit auch, auf eine gewisse Weise, sein Ende. Das Ende des Zusammengerollten und (schmerzlich vielleicht) In sich-Zusammengekauerten und Verletzt-Abgewandten oder Ratlos-Gewordenen. Das Aushauchen. Sie bedeutet das Aushauchen. Das Ende. Den Tod.

Sie bedeutet aber auch (als der Auf-riß) die Öffnung und die Auf-Stellung (welche, wenn auch über "den Tod" gehend und das Aushauchen), welche ja gerade das Zusammenballende und d.h. den Krampf, welcher die "Ursache" jener "Krankheit" ja war, öffnet und löst und so und aus dieser Aufreißung, den Raum in die Konstellation einführt, welcher ein freier Raum ist und als Raum das Gestell ist und das Koordinatensystem, um das sich als das Feste und Beständige und als das Weitesmöglich-Aufgespannte und das Nahestmöglich-Zusammengetragene der beiden engegengesetzten Dimensionen und Richtungen in ihrer Vierung das Jeweilige und das jeweilige Einzelne neu heil anordnen und formieren kann, in welchem das Kreuzhafte des Kreuzes (vorausgesetzt nur, daß es willentlich oder bewußt oder gewollt-mitgehend vollzogen wird und nicht in dem Widerstand seines Aufreißens sich verausgabt und somit wirklich in einem Ende verendet, das nicht mehr öffnet und das nur Implosion, Eingang und ein Verenden ist) für die Transformation jenes "Lebensgeistes" (und d.h. meistens des "Lebensgeistes" in einer bestimmten formativen Formierung und Bestimmtheit, als "Krankheit", "Problem", Sorge, bedrückendes Gefühl etc.) sorgt, welcher von der Unzulänglichkeit in die Eröffnung (und d.h. weitestmögliche Aufspannung nach allen Seiten: und das ist die geometrische Form des Kreuzes) und von der Eröffnung wieder in die Freiheit der Re-konfiguration, der Wiederzusammenbildung ermöglicht wird, welche das Kreuz eben und das Sehen des Kreuzes und das Übertragen des Kreuzes und des völlig Kreuzhaften auf das eigene "Fleisch" und das Annehmen des Kreuzes damit und der Problemlage und "Krankheit" und Sorge und seiner damit verbundenen Anverwandlung und Verwandlung zum Therapeutischen macht und damit zum Einzig-Therapeutischen eröffnet. Einzigtherapeutisch deshalb, weil es nicht nur heilt im Sinne einer Behebung der Symptomatik der Erkrankung, sondern weil es auch wandelt, weil es die ehemalige Krankheit in die Wohltat der Lösung und Annahme wandelt und d.h. öffnet, welche es in die noch größere Wohltat und das WUNDER damit des Heils verändert, welches ein neues Stehen aus der Kraft der Gesundheit und der Verwindung der "Krankheit" (welche im Augenblick der Einkräuselung eintritt und unweigerlich, wenn eine solche Lösung und Trans-formation nicht eintritt, welche eben aber offensichtlich nur über die "Kreuzigung" geschehen kann, zum Tode und zum Verenden und zum Einbruch führt) wenn also eine solche Lösung und Erlösung damit nicht eintritt) als der Verwindung des Todes und als ein Aufgehen und Aufgegangenseins eines neuen, eines neu zusammengestellten und d.h. gelösten und von jener Verkrampfung befreiten Lebens ist und d.h. gesunden und heilen Körpers ist.

Das Aufreißende, das Aufspannende und Öffnende und Vollendende damit des Kreuzes ist das Therapeutische des Kreuzes, welches in der Betrachtung für die Lösung und die Heilung sorgt und sie vollzieht und im eigenen Vollzug auf dem Weg des bewußten Aufsichnehmens des Kreuzhaften für eine Eröffnung des Beschränkten und Hinfälligen Lebens sorgt und für seine Eröffnung und Aufstellung in und als ein neues, größeres, erstarkteres und trotzdem nicht ein völlig und bezugslos Anderes, weil es nämlich das Alte Leben ist, welches durch die Erfahrung und die Wohltat der Aufspannung und Auflösung gegangen ist, und welches sich jetzt aus diesem neuen Geist und dieser neuen Erfahrung neu zusammen findet.

Das ist die kreuzhafte Rede des therapeutischen Seins des Kreuzes und des heilen und damit heiligen und ehrwürdigen und wundersamen (und selbst gnadenhaft verwandelten) Wesenswirkens jenes ehemalig teuflisch-bösen Tötungszeichens und Mord- und Bestrafungskonglomerats schlechthin.

Hier wird dann aber der Bereich des rein "Exakten-Naturwissenschaflichen" verlassen, weil jenes Gnadenhafte welches das Wesen des Kreuzes selbst verwandelt und es von einem Vernichtungs- zu einem Heilszeichen macht (es vom Gift ins Pharmakon wandelt), jene ursprüngliche Medizinart des und jenes verwandelnden Geistes kann dann nicht mehr so rein faktisch kreuzhaft (koordinatorisch) verhandelt und aufgespannt werden.

Das Therapeutische des Kreuzes und sein Heil und damit ein höchstwahrscheinlicher Sieg durch und über es zu höchst wahrscheinlich bleibt.

Was aber bleibt ist Heil.


Zusatz:
Praktisch bedeutet dies übertragen z.B. auf die symbolische Tatsache der leiblichen Krankheit oder psychischen Problematik des Lebens. Die therapeutische und d.h. heilsame und problem- und gebrechensauflösende Kraft und Macht des Kreuzes ist kein "nur Geistiges" im Sinne eines rein Metaphorischen, "Symbolischen" das dann aber doch keine Auswirkung und Verwandlungsmacht auf die direkte Materie hat, auf den Leib und die Verkörpertheit, in der wir "nun mal" sind als Menschen und die wir als Menschen sind.
Die Kraft und Macht des Kreuzes, welche eine physikalische Umstrukturierungs- und Heilungs- und Anverwandlungsmacht hat ist 1. hinlänglich schon erklärt und erklärbar aus der rein zeichenhaften Beschaffenheit und Konstitution, Konstruktion des Kreuzes als die Darstellung und Repräsentation der Schneidung der vertikalen und der horizontalen Dimension in einem harmonischen und optimalen Verhältnis. Dieses Verhältnis ist bei der Krankheit gestört, labilisiert und nicht vorhanden. In diesem Sinne er-innert das Angesicht, der Anblick des Kreuzes und der Kreuzung an jene Auf-stellung und Harmonisierung und Stabilisierung und ordnet sie im Augenblick der Betrachtung in das gerade aktuelle betrachtende Feld, welches somit in den Prozeß der Begradigung versetzt und zum Zustand der Auf-richtung als der erneuten Gesundung und Störungsüberwindung geführt wird, aus welchem die Heilungs- als Rekonvaleszenzphase erwächst, welche zur neuen und volleren Gesundheit führt.
In diesem Sinne ist die physikalische Ebene und Beschaffenheit des Kreuzes schon hinlänglich für die Erklärung und den Vollzug einer physikalisch-psychischen Anverwandlung als Re-stabilisierung auf dem Weg und in der Weise der harmonischen Einrichtung der Dimensionen, welche in dem Kreuz vollendet dargestellt ist und erscheint.
Die "Bereicherung des Kreuzes" aber um die Person des Gekreuzigten richtet eine unendliche Zusatzdimension ein und ermöglicht eigentliche Heilung und das Gelingen eigentlicher Heilung. Das Wissen und die Erfahrung der Hinnahme und des Aufsichnehmens des Leidens, des Durchstehens des Leidens, der Überlassung und der dann hervorgehenden am Auferstehungsleib offensichtlichen Heilung und Besiegung der Kreuzigung ist der Garant des Geistes in welchem die volle und eigentliche Heilung passieren und geschehen kann, der Raum der die physikalisch-psychische Wandlung birgt und sie dann in ihrem Vollzug bestätigt und/oder firmt.
Die physikalisch-psychische, auch die "gelungene" Heilung auf dem Weg der Aussetzung unter die Wandlungsmacht des Kreuzes kann auch einen eigentlichen Tod bedeuten, wenn z.B. das Physikalische "lebt" und das Psychische, aber der Geist, welcher es eigentlich belebt und ins Leben setzt und am Leben erhält nicht aufersteht, ausbleibt oder verstört bleibt.
Die Person des Gekreuzigten gibt dem Leidenden und Heilenden den Raum die physisch-psychische Umwandlung und totale Umstellung "bewußt" und d.h. personal (wenn auch mit der Kraft des Christus welche Gnade ist und genannt wird, welche wir von ihm, als dem ersten der den Tod bewußt überwandt und das unverletztliche Leben, die volle Gesundheit, wiedererlangte) zu vollziehen, um im solchen Vollzug auch geistig neugeboren zu werden und zu heilen und dann auch heil und im Heilen zu sein. Bishin zur Überwindung der Krankheit zum Tode.

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